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ALJ 1/2015 Das österreichische Parlament als Akteur der Europäischen Integration 161
tung an einem Gesetzgebungsentwurf, insb im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip, besser im
vorgelagerten Konsultationsprozess der Kommission zu verwirklichen ist. Er regt daher eine ver-
stärkte Koordination und Zusammenarbeit der nationalen Parlamente im Rahmen der COSAC
(die Konferenz der EU-Ausschüsse der nationalen Parlamente) an. Dadurch könnten die nationa-
len Parlamente vermehrt mit geeinter Stimme politischen Druck ausĂĽben und somit einen po-
tenziellen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip bereits im Vorfeld verhindern. Die Möglichkeit
einer Subsidiaritätsrüge bzw einer Subsidiaritätsklage unterstützt nach Auffassung von Galiciani
die Position der nationalen Parlamente im Konsultationsprozess.
Insgesamt gehen auf europäischer Ebene pro Jahr etwas mehr als 600 schriftliche Stellungnah-
men ein. Im Jahr 2013 waren es 621, davon waren 88 – also etwa 14 % – begründete Stellung-
nahmen im Rahmen des Subsidiaritätskontrollmechanismus.20 Inhaltlich geht es dabei überwie-
gend um Justiz und Inneres, den Binnenmarkt und Aspekte der Europäischen Währungsunion.
Die Kommission beantwortet die Stellungnahmen in der Regel binnen einer selbst gesetzten Frist
von drei Monaten.21 Sofern die nationalen Parlamente ihre Stellungnahmen frĂĽhzeitig vorlegen,
können diese nach Auffassung der Kommission als ein Frühwarnsystem dienen, das ihr einen
Überblick über die wichtigsten Argumente zum Inhalt ihrer Vorschläge gibt. Die Kommission kann
sodann in völliger Kenntnis der von den nationalen Parlamenten zum Ausdruck gebrachten Auf-
fassungen Verhandlungen mit dem Rat und dem Europäischen Parlament führen.22
Die im Jahr 2013 von den nationalen Parlamenten eingereichten 88 begrĂĽndeten Stellungnah-
men betrafen 36 unterschiedliche Kommissionsdokumente. Nach Auffassung der Kommission
bestätigt dies einen Trend, der bereits in den vergangenen Jahren beobachtet werden konnte:
„Die nationalen Parlamente verfolgen unterschiedliche politische Interessen und setzen unter-
schiedliche Prioritäten, wenn sie im Rahmen des Subsidiaritätskontrollmechanismus Vorschläge
der Kommission auswählen und die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips prüfen. Ferner legen
die nationalen Parlamente offenbar unterschiedliche Kriterien an, wenn sie einen Vorschlag hin-
sichtlich der Wahrung des Subsidiaritätsprinzips bewerten.“23
III. Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte durch das österreichische
Parlament
Bereits im Zuge des EU-Beitritts Ă–sterreichs war man bestrebt, dem nationalen Parlament Ein-
fluss auf die Gestaltung der europäischen Gesetzgebung einzuräumen. Dies geschah im Wege
der Einflussnahme des Parlaments auf die Verhandlungs- und Abstimmungsposition der im Rat
der EU und im Europäischen Rat verhandlungs- und stimmberechtigten österreichischen Regie-
rungsmitglieder. Durch die Abgabe einer Stellungnahme nach Art 23e Abs 1 B-VG haben sowohl
Nationalrat als auch Bundesrat die Möglichkeit, bei ihnen wichtig erscheinenden Themen in der
Phase der Verhandlungen im Rat der EU bzw im Europäischen Rat dem zuständigen Bundesmi-
nister bzw dem Bundeskanzler eine Verhandlungsposition und sogar eine Abstimmungsposition
vorzugeben. Das österreichische Parlament kann somit schon aktiv werden, bevor die Entschei-
20 Bericht der Kommission: Jahresbericht 2013 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der
Verhältnismäßigkeit, COM(2014) 506 final, 4.
21 Jahresbericht 2013 der Kommission ĂĽber die Beziehungen zu den nationalen Parlamenten, 5.
22 Jahresbericht 2013 der Kommission ĂĽber die Beziehungen zu den nationalen Parlamenten, 5.
23 Subsidiaritäts-Jahresbericht 2013 der Kommission, 15.
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Austrian Law Journal
Volume 1/2015
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2015
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 188
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal