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ALJ 1/2016 Erlebt Schengen eine „Renaissance“ oder geht es unter? 9
Ein Flüchtlingsstatus bezeichnet die in Art 2 lit e der Anerkennungs-Richtlinie 2011/95/EU definierte
Eigenschaft einer Person iSv Art 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (1951), geändert durch das
New Yorker Protokoll vom 31. 1. 1967. Ein subsidiärer Schutzstatus bezeichnet den Status einer
Person iSv Art 2 lit g der Anerkennungs-Richtlinie 2011/95/EU. Gemäß Art 2 lit f dieser RL ist eine
Person mit Anspruch auf „subsidiärem Schutz“ ein Drittstaatsangehöriger, oder ein Staatenloser,
der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling zwar nicht erfüllt, der aber stichhaltige
Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland oder,
bei einem Staatenlosen, in das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts, tatsächlich
Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen hingegen wird einer Person gewährt, die nicht
die Voraussetzungen für die Gewährung eines „internationalen Schutzes“ erfüllt, aber dennoch
aufgrund von Verpflichtungen, die allen EU-Mitgliedstaaten nach Maßgabe der völkerrechtlichen
Flüchtlings- bzw Menschenrechtsschutzinstrumente gemeinsam sind, vor einer Abschiebung
geschützt ist, wie zB unbegleitete Minderjährige oder Kranke.
V. Das Ausmaß der aktuellen Migrations- und Flüchtlingsbewegung
Im Zuge der größten Migrations- und Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg wurde das
„Schengen“-System in seinen Grundfesten erschüttert. Von den rund 70 Mio Menschen, die 2015
weltweit auf der Flucht sind, sind zwar über 38 Mio sogenannte „Binnenflüchtlinge“ – Binnenver-
triebene flüchten nicht außer Landes, sondern begeben sich nur in sichere Gegenden ihres Hei-
matstaates – der Rest begab sich aber außer Landes und flüchtete in sichere Drittstaaten. Betrach-
tet man davon nur diejenigen Flüchtlinge, die in einem Mitgliedstaat der EU einen Asylantrag
gestellt haben, so stellt sich die Situation folgendermaßen dar:
2015 wurden in der gesamten EU 1,255.640 Erstasylanträge gestellt, die sich wie folgt auf die ein-
zelne Mitgliedstaaten verteilten: Bundesrepublik Deutschland 441.800, Ungarn 174.435, Schweden
156.110, Österreich 85.505, Italien 83.245, Frankreich 70.570, Niederlande 43.035 sowie Andere
200.940. Was die Herkunftsländer betrifft, so kamen die Asylwerber aus folgenden Staaten: Syrien
362.775, Afghanistan 178.230, Irak 121.535, Kosovo 66.885, Albanien 65.935, Pakistan 46.400,
Eritrea 33.095, Nigeria 29.915, sowie Andere 350.870.45
2015 wurden in den EU-Mitgliedstaaten 333.350 Asylbewerber als schutzberechtigt anerkannt,
was einem Anstieg von 72 % gegenüber 2014 entspricht.46 Davon erhielten 246.200 den Flüchtlings-
status (74 % aller positiven Entscheidungen), 60.700 subsidiären Schutz (18 %) und 26.500 eine Auf-
enthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (8 %).47 Darüber hinaus nahmen die EU-Mitgliedstaaten
knapp 8.100 umgesiedelte Flüchtlinge auf. Insgesamt wurde seit 2008 fast 1,1 Mio Asylbewerbern
in der EU der Schutzstatus zuerkannt.
Die größte Gruppe von Personen, denen im Jahr 2015 in der EU der Schutzstatus zuerkannt wurde,
waren weiterhin Syrer (166.100 Personen bzw 50 % aller Personen, denen in den EU-Mitglied-
staaten der Schutzstatus gewährt wurde), darauf folgten Staatsangehörige aus Eritrea (27.600
45 EUROSTAT-Daten; vgl M. Bachner, Offene Grenzen 3; Brändle/Mayer, Tusk: „Konsens in Flüchtlingskrise erstmals
greifbar“, Der Standard vom 5./6. 3. 2016, 17.
46 Österreich landete dabei mit 17.750 positiv entschiedenen Fällen auf Platz 6; vgl: Mehr als 330.000 Gerettete,
Wiener Zeitung vom 21. 4. 2016, 3.
47 Eurostat Pressemitteilung 75/2016, vom 20. 4. 2016.
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Austrian Law Journal
Volume 1/2016
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2016
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 110
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal