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ALJ 1/2016 Die Besetzung von Schiedsgerichten 108
immer in den gleichen Branchen auf der gleichen Seite bewegt haben, oder wo auffällige Nah-
verhältnisse vorliegen.
Die zweite wichtige Möglichkeit ist die strenge Kontrolle schiedsgerichtlicher Unabhängigkeit und
Unparteilichkeit durch die staatlichen Gerichte. In Österreich kommt seit dem Schiedsrechts-
Änderungsgesetz 2013 dem OGH die zentrale Aufgabe zu, Entscheidungen von Schiedsgerichten
oder Schiedsinstitutionen über Schiedsrichter-Ablehnungsanträge nachprüfend zu kontrollieren.26
Die bereits vorliegenden Entscheidungen des OGH 18 ONc 5/15a und 18 ONc 2/15k weisen vom
Ansatz her in die richtige Richtung, wenn festgehalten wird, dass bei der Prüfung von Befangen-
heitsgründen auch die IBA Guidelines on Conflict of Interest in International Arbitration als Orientie-
rungshilfe herangezogen werden dürfen, oder wenn ferner festgehalten wird, dass einseitige
Kommunikationen zwischen einer Partei und einem Mitschiedsrichter grundsätzlich einen Ableh-
nungsgrund bilden können. Sie sind im Ergebnis aber gegenüber der in einer Entscheidung aus-
drücklich so bezeichneten „,vernetzten‘ juristischen Szene Österreichs“ etwas nachsichtig.
Wünschenswert wäre schließlich auch eine strenge Auslegung der schiedsgerichtlichen Offenle-
gungspflicht wie sie etwa nach französischem Recht Praxis geworden ist. Dort ist anerkannt, dass
der Schiedsspruch aufgehoben werden muss, wenn infolge einer Verletzung der Offenlegungs-
pflicht ein schwerer Befangenheitsgrund erst nach Fällung des Schiedsspruchs bekannt wird27.
Mein Ruf nach strenger (oder strengerer) Kontrolle der schiedsgerichtlichen Unabhängigkeit und
Unparteilichkeit ist keineswegs ein Angriff auf die Privatautonomie. Wenn aber die internationale
Schiedsgerichtsbarkeit auch die kommenden 50 Jahren das vorherrschende Streitbeilegungs-
system für den internationalen Wirtschaftsverkehr sein soll, ist diese strenge Kontrolle unver-
zichtbar.
26 § 589 Abs 3 ZPO iVm § 615 ZPO idF des Schiedsrechts-Änderungsgesetzes 2013.
27 Vgl einerseits OGH 17. 6. 2013, 2 Ob 112/112b Der Gesellschafter 2014, 2 mit kritischer Stellungnahme von
Reiner/ Vanovac und anderseits das Urteil des Kassationsgerichtshofs vom 25. 6. 2014 iS Tecnimont/Avax, veröf-
fentlicht und abrufbar unter anderem unter https://www.courdecassation.fr/jurisprudence_2/premiere_chambre_
civile_568/758_25_29578.html (24. 11. 2015).
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Austrian Law Journal
Volume 1/2016
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2016
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 110
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal