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ALJ 2018 „Negativzinsen“ – Bestandsaufnahme und weitere offene Fragen 30
§ 983 S 1 ABGB; § 1461 ABGB).32 Die Verschaffung von Eigentum am Geld ist allerdings nicht
zwingend; in der heutigen Rechtspraxis kommt es hauptsächlich zur unbaren Überweisung der
Kreditvaluta auf ein (Kredit-)Konto des Kreditnehmers, welchem in diesem Fall ein Forderungs-
recht gegen die kontoführende Bank zusteht.33 Der Gesetzgeber des DaKRÄG34 hat die Zulässig-
keit dieser Gestaltungsmöglichkeit im zweiten Halbsatz des § 988 S 1 ABGB bewusst zum Aus-
druck gebracht.35
Wie jeder andere Darlehensnehmer ist auch ein Kreditnehmer dazu verpflichtet, dem Darlehens-
geber „spätestens nach Vertragsende ebenso viele Sachen derselben Gattung und Güte zurückzuge-
ben“ (§ 983 S 2 iVm § 988 ABGB; vgl auch § 989 Abs 2 ABGB); wobei in praxi naturgemäß auch die
Rückzahlung überwiegend unbar durch Leistung von Buchgeld erfolgt.
Die Gegenleistung des Kreditnehmers besteht regelmäßig in den von ihm zu zahlenden Zinsen
(§ 988 Abs 2 ABGB).36 Die Rückzahlung der Kreditvaluta steht hingegen nicht im Gegenseitigkeits-
verhältnis, weil es bei ihr augenscheinlich an der erforderlichen „Do-ut-des-Verknüpfung“ fehlt:
Ein Kredit wird nicht der Rückzahlung wegen gewährt, sondern um damit etwas zu verdienen.37
Die in § 983 S 2 ABGB statuierte Verpflichtung des Darlehensnehmers, „ebenso viele Sachen der-
selben Gattung und Güte zurückzugeben“ ist nach zutreffender hL38 für Darlehensverträge typusbil-
dend. Dies gilt selbstverständlich auch für Kreditverträge gem § 988 ABGB. Müsste der Kredit-
nehmer nicht in jedem Fall das gesamte vom Kreditgeber Erhaltene zurückstellen, läge von Vorn-
herein kein Kreditvertrag iSd § 988 ABGB vor, sondern irgendein anderer Vertrag. In Betracht
käme vor allem eine Art unregelmäßige Verwahrung.39
IV. Negativzinsen als primäres Problem der Vertragsauslegung
Kreditgeber und Kreditnehmer sind sich über den genauen Bedeutungsgehalt der im Kreditver-
trag festgelegten Zinsgleitklausel uneinig. Die Banken auf der Kreditgeberseite möchten unge-
achtet der negativen Entwicklung der Referenzzinssätze idR Zinsen in Höhe des Aufschlags erhal-
ten. Demgegenüber steht die Kreditnehmerseite auf dem Standpunkt, dass von den Banken
unter gewissen Voraussetzungen sogar „Negativzinsen“ zu bezahlen seien.
32 Der Kreditgeber hat dem Kreditnehmer also auf derivativem Wege Eigentum am Geld zu verschaffen (Stanzl in
Klang [Hrsg], Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch IV/12 [1968] 695; Ertl in Fenyves/Kerschner/
Vonkilch [Hrsg], Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch3 [2013] § 983 Rz 20). Beim Kredit (= Geld-
darlehen) ist der Eigentumserwerb des Kreditnehmers, selbst wenn der Kreditgeber nicht Eigentümer oder ver-
fügungsbefugt war, schon durch § 371 ABGB weitgehend sichergestellt (Stanzl in Klang IV/12 695; Aichberger-Beig
in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 983 Rz 10).
33 Vgl Pamp in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch5 Rz 76/142.
34 BGBl I 2010/28.
35 ErläutRV 650 BlgNR 24. GP 11.
36 Damit der Kreditgeber tatsächlich einen Anspruch auf Verzinsung hat, bedarf es selbstverständlich stets einer
vertraglichen Zinsabrede.
37 ZB Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Allgemeiner und Besonderer Teil11 (2017) Rz 1086; K. P. Berger in
MüKoBGB III7 § 488 BGB Rz 42.
38 Stanzl in Klang IV/12 699; Ertl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 983 Rz 31; Wendehorst in Wendehorst/Zöchling-
Jud (Hrsg), Verbraucherkreditrecht (2010) § 983 ABGB Rz 27; Zöchling-Jud, ÖBA 2015, 321; s zur deutschen Lehre
etwa K. P. Berger in MüKoBGB III7 § 488 BGB Rz 42.
39 Vgl Ch. Rabl, VbR 2016, 63. Die „unregelmäßige Verwahrung“ ist ein gemischter Vertrag mit Darlehens- und Ver-
wahrungselementen (zB Henssler in Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg [Hrsg], Münchener Kommentar zum BGB V/27
[2017] § 700 BGB Rz 2).
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Austrian Law Journal
Volume 1/2018
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2018
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 68
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal