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ALJ 2018 „Negativzinsen“ – Bestandsaufnahme und weitere offene Fragen 40
Es darf zudem nicht übersehen werden, dass § 6 Abs 1 Z 5 KSchG dem Verbraucher auch die
Möglichkeit verschaffen möchte, die vom Unternehmer vorgenommene Entgeltsänderung auf
ihre Richtigkeit und Angemessenheit hin zu überprüfen (Kontrollfunktion).110
E. Bedeutung von § 6 Abs 1 Z 5 KSchG für Zinsgleitklauseln
§ 6 Abs 1 Z 5 KSchG gilt, was an dieser Stelle kurz festzuhalten ist, nach zutreffender hA111 sowohl
für Zinsanpassungs- als auch für Zinsgleitklauseln. Zinsgleitklauseln haben bei Kreditverträgen
die Funktion, den Sollzins an die Refinanzierungskosten zu koppeln.112 Eine Anknüpfung an die indi-
viduellen Refinanzierungskosten der kreditgebenden Bank ist jedoch unmöglich, weil der einzel-
ne Kredit keiner konkreten Refinanzierungsform zuordenbar ist.113 Außerdem wäre eine solche
Vorgangsweise, jedenfalls bei Verbraucherkrediten, eindeutig rechtswidrig. § 6 Abs 1 Z 5 KSchG
sieht vor, dass die für die Entgeltänderung maßgebenden Umstände im Vertrag umschrieben
und sachlich gerechtfertigt sein müssen. Nun hat schon G. Graf114 zutreffend aufgezeigt, dass die
Überwälzung betriebsinterner Kostenfaktoren115, wie etwa Veränderungen der Bonität der kre-
ditgebenden Bank, grundsätzlich nicht zulässig ist.116 Vor allem aber wäre es dem Kreditnehmer
niemals möglich, die bankinternen Kosten zu überprüfen. Nicht zuletzt sind die konkreten Refi-
nanzierungskosten – zumindest zum Teil – vom „Willen des Unternehmers“ abhängig, weil die kre-
ditgebende Bank über den jeweiligen Refinanzierungsansatz entscheidet.117
F. Verlangt § 6 Abs 1 Z 5 KSchG „Negativzinsen“ bei variablen Krediten?
Sämtliche bisherigen Überlegungen zur richtigen Auslegung von Zinsgleitklauseln in Kreditverträ-
gen wären Makulatur, wenn das zwingende Verbraucherschutzrecht, namentlich § 6 Abs 1 Z 5
KSchG, „Negativzinsen“ verlangen würde.118 Es bedarf im Grunde keiner weiteren Erörterung, dass
man im Wege der Vertragsinterpretation zu keinem gesetzwidrigen Ergebnis gelangen darf.119
110 Koitz-Arko, ÖBA 1998, 11; G. Graf, wbl 2005, 202, 204; Langer in Kosesnik-Wehrle, KSchG4 § 6 KSchG Rz 26; Eccher in
Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 6 Abs 1 Z 5 KSchG Rz 4; Apathy in Schwimann/Kodek Va4 § 6 KSchG Rz 25.
111 Koitz-Arko, ÖBA 1998, 12; Krejci in Rummel II/43 § 6 KSchG Rz 86; G. Graf, Rechtswidrige Zinsanpassungsklauseln
und Verjährungsrecht, ecolex 2003, 648 (648 f); ders, Bankvertragsrecht4 (2017) 76; M. Leitner, Preis- und Zins-
gleitklauseln, ecolex 2003, 660 (660 f); Eccher in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 6 Abs 1 Z 5 KSchG Rz 1; Dehn
in Apathy/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht IV2 Rz 2/107; Apathy in Schwimann/Kodek Va4 § 6 KSchG Rz 23; Langer in
Kosesnik-Wehrle, KSchG4 § 6 KSchG Rz 26; Bollenberger, Vertragsabschluss unter beiderseitig verdünnter Willens-
freiheit, ÖBA 2016, 26 (28); OGH 5 Ob 266/02g = ecolex 2003, 237 (M. Leitner); OGH 10 Ob 13/17k = VbR 2017,
105; OGH 8 Ob 101/16k = ZFR 2017, 393; OGH 30.05.2017, 8 Ob 107/16t.
112 So ausdrücklich Habersack, WM 2001, 755 („bislang übliche Funktion“); vgl auch Iro, RdW 1985, 266; M. Leitner,
ecolex 2003, 660; B. Koch, Basel II und Kreditvertragsrecht, ÖBA 2007, 614 (616); Gumpoltsberger, Einseitige An-
passung des Zinsaufschlags und Indikators bei Fremdwährungskrediten, ecolex 2012, 862 (862 f); Zöchling-Jud,
ÖBA 2015, 324; aus deutscher Perspektive Freitag in Staudinger, BGB § 488 BGB Rz 197; Fuchs in Ulmer/Brandner/
Hensen, AGB-Recht12 Zinsanpassungsklauseln Rz 1.
113 Schimansky, WM 2001, 1173; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht12 Zinsanpassungsklauseln Rz 27.
114 Wbl 2005, 201.
115 Das sind solche, die sich der Kontrolle des Unternehmers entziehen (vgl nur Krejci in Rummel II/43 § 6 KSchG
Rz 88; G. Graf, wbl 2005, 200 f; Eccher in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 6 Abs 1 Z 5 KSchG Rz 5).
116 Ebenso wohl Langer in Kosesnik-Wehrle, KSchG4 § 6 KSchG Rz 31.
117 Vgl Rummel in Dullinger/Kaindl (Hrsg), Bank- und Kapitalmarktrecht 2008 (2009) 84.
118 So etwa Kolba, VbR 2015, 50; Leupold, VbR 2015, 86; Haghofer, VbR 2016, 62; Vonkilch in FS Eccher 1250 ff; Ram-
harter, VbR 2017, 145.
119 Busche in Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg), Münchener Kommentar zum BGB I7 (2015) § 157 BGB Rz 57;
Kriegner, ÖBA 2016, 510; Kronthaler, ÖJZ 2017, 107; ders, Zak 2017, 226; Vonkilch in FS Eccher 1250; Heiss in Kletečka/
Schauer, ABGB-ON1.02 § 914 Rz 78/0/1; aus der Judikatur etwa OGH 4 Ob 60/17b = ÖBA 2017, 422 (krit B. Koch) un-
ter Berufung auf Kriegner, ÖBA 2016, 507.
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Austrian Law Journal
Volume 1/2018
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2018
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 68
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal