Page - 51 - in Austrian Law Journal, Volume 1/2018
Image of the Page - 51 -
Text of the Page - 51 -
ALJ 2018 Christoph Kronthaler 51
rungspflicht auferlegt, entspricht die in Österreich derzeit geltende Rechtslage mit großer Wahr-
scheinlichkeit nicht den Vorgaben der Verbraucherkredit-RL (und ebenso wenig den Vorgaben
der Verbraucherrechte-RL). Selbst mit einer extensiven Interpretation von § 1298 ABGB lässt sich
mE kein richtlinienkonformer Rechtszustand herbeiführen, weil der Geschädigte stets zumindest
zu beweisen hätte, dass der Schädiger seine vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten objektiv
nicht erfüllt hat. Durch die Nichtumsetzung von Art 6 Abs 9 Verbraucherrechte-RL ins österreichi-
sche Recht scheidet – anders als etwa in Deutschland (vgl § 312k Abs 2 BGB) – ein Analogie-
schluss zur Lückenfüllung aus.185
2. Finanzierungsberatung
Über die Pflicht zur Erläuterung hinaus treffen den Kreditgeber Informationspflichten, wenn er
mit dem Kreditnehmer einen Beratungsvertrag schließt. Bei der Annahme eines konkludent ge-
schlossenen Beratungsvertrags186 ist aber Vorsicht geboten (vgl § 863 ABGB).187
Eine Finanzierungsberatung läuft darauf hinaus, dass der Kreditgeber eine bestimmte Kreditvari-
ante (zB variabel oder fix verzinster Kredit) zu empfehlen hat.188 Ob er zu einem Kredit mit variab-
lem Sollzins raten dürfte, der uU nahezu das gesamte „Zinsänderungsrisiko“ auf den Kreditneh-
mer verlagert, erscheint allerdings mehr als fraglich.
Ob es sich beim Kreditnehmer um einen Verbraucher oder Unternehmer handelt, ist im Wesent-
lichen gleichgültig. Die Reichweite der Beratungspflicht kann bei einem erfahrenen Unternehmer
allenfalls etwas geringer sein.
VII. Kredite an Unternehmer und an die „öffentliche Hand“
A. Analoge Anwendung von § 6 Abs 1 Z 5 KSchG?
§ 6 Abs 1 Z 5 KSchG gilt naturgemäß nur für Verbraucherkredite (§ 2 Abs 3 VKrG sowie § 2 Abs 3
HIKrG) und ist daher bei einer Kreditvergabe an einen Unternehmer iSd § 1 Abs 1 Z 1 KSchG oder
die „öffentliche Hand“ (vgl § 1 Abs 2 S 2 KSchG)189 nicht analog anzuwenden.190
Allerdings dient § 6 Abs 1 Z 5 KSchG im Rahmen der Prüfung einer möglichen Sittenwidrigkeit
(§ 879 Abs 1 ABGB) oder „gröblichen Benachteiligung“ (§ 879 Abs 3 ABGB)191 einer Zinsgleitklausel
185 Die vorstehenden Überlegungen stellen selbstverständlich keine abgeschlossene Untersuchung dieser Proble-
matik dar. Eine solche würde allerdings den Rahmen dieses Beitrags bei Weitem sprengen und kann daher allen-
falls zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
186 Vgl OGH 4 Ob 604/70 = SZ 43/209; OGH 7 Ob 306/99x = ÖBA 2001, 86; OGH 1 Ob 206/11t = ÖBA 2012, 392 (Hein-
rich); OGH 10 Ob 62/15p = JBl 2017, 182 (Kepplinger); RIS-Justiz RS0014562.
187 Zu Recht krit Welser, Die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten (1983) 64 ff; Koziol in Avancini/Iro/Koziol (Hrsg),
Österreichisches Bankvertragsrecht I (1987) Rz 3/6; Kletečka, Anmerkung zu OGH 3 Ob 13/04i, ÖBA 2005, 57
(57 f); Dullinger, Zur Eigenverantwortung von Gehilfen für fehlerhafte Beratung am Beispiel des Vertriebs von
Finanzprodukten, in FS Reischauer (2010) 101 (108 ff).
188 Vgl Welser, Haftung 2.
189 Mayrhofer/Nemeth in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1 KSchG Rz 71 f; Apathy in Schwimann/Kodek Va4 § 1
KSchG Rz 13.
190 OGH 10 Ob 145/05d = RdW 2006, 764; OGH 8 Ob 31/12k = ÖBA 2012, 691 (Butschek); vgl auch Apathy, Auswirkun-
gen der Judikatur zu Verbraucherverträgen auf Bankgeschäfte mit Unternehmern, ÖBA 2004, 737 (739); ders in
Schwimann/Kodek Va4 § 6 KSchG Rz 24; Aicher in Rummel/Lukas4 § 1056 Rz 15; Graf in Kletečka/Schauer, ABGB-
ON1.04 § 879 Rz 366; Verschraegen in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 1056 Rz 4; Zöchling-Jud, ÖBA 2016, 765; Told,
ÖBA 2017, 844; Melber, Negativzinsen beim Unternehmergeschäft, ÖBA 2017, 814 (817).
191 Die Berufung auf § 879 Abs 3 ABGB bietet für den Kreditnehmer den Vorteil, dass die Ungleichgewichtslage
wegen der Verwendung von AGB vermutet wird. Im Vergleich zur Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 879 Abs 1 tritt
back to the
book Austrian Law Journal, Volume 1/2018"
Austrian Law Journal
Volume 1/2018
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2018
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 68
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal