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ALJ 2019 Moritz Zoppel 26
der Zeitpunkt der SchÀdigung. Zur Haftung gezogen wird, im Ergebnis im Einklang mit der Recht-
sprechung, der reale SchÀdiger. SpÀtere VerÀnderungen werden mit Verweis auf den Rechtsfort-
wirkungsgedanken unerheblich.47
Sollte es zur subjektiv-konkreten Schadensberechnung, die den Wert im Vermögen des GeschÀdig-
ten im Blick hat, kommen, so haften beide SchÀdiger solidarisch. F. Bydlinski unterstreicht, dass
nur die Ursache hypothetisch sein dĂŒrfe. Es mĂŒsse in jedem Fall noch real rechtswidrig und schuld-
haft gehandelt werden können. Das scheidet offensichtlich dann aus, wenn das Rechtsgut zum
Zeitpunkt der Verwirklichung des zweiten Handlungsstranges bereits vollstÀndig zerstört wurde.48
Dieses Ergebnis wird von Koziol dahingehend weiterentwickelt, als es auch bei objektiv-abstrakter
Schadensberechnung zu einer Solidarhaftung des realen und des hypothetischen SchÀdigers kom-
men solle, wenn der hypothetische SchÀdiger bereits rechtswidrig, schuldhaft und konkret gefÀhr-
lich gehandelt habe. Es sei nicht hinzunehmen, dass allein ein minimaler zeitlicher Unterschied zu
einem Umschwung von der solidarischen Haftung bei kumulativer KausalitÀt zur alleinigen Haf-
tung des realen SchĂ€digers bei der ĂŒberholenden KausalitĂ€t fĂŒhren könnte. Zudem sei die zer-
störte Sache schon im Zeitpunkt der Zerstörung durch die hypothetische Ursache konkret gefÀhr-
det.49
3. AbwĂ€gung der UmstĂ€nde â die deutschen Lehren
Der Grundsatz der Irrelevanz von Reserveursachen, mit der Ausnahme der AnlageschÀden, findet
sich auch in der Judikatur des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes in Deutschland wie-
der.50 Von groĂen Teilen der deutschen Lehre51 und vermehrt aufkommenden Stimmen in Ăster-
reich52 wird die Möglichkeit einer einheitlichen Lösung des Problems der ĂŒberholenden KausalitĂ€t
mittlerweile verneint. Nicht zuletzt wird bezweifelt, dass die Lösung auf rein begrifflicher Ebene,
ĂŒber die Verwendung eines Schadensbegriffes gefunden werden könne.53 Aufgrund der groĂen
Rechtsordnung sei; Kodek in KleteÄka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1293 Rz 23 f mit weiteren Nachweisen; ders in FS
Danzl 116 (119) zweifelt daran, dass sich das Problem der ĂŒberholenden KausalitĂ€t durch einen Begriff lösen lasse;
auch dahingehend wohl E. Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar 4 (2016) vor § 1293 Rz 23; Harrer
in Schwimann, Praxiskommentar ABGB3 (2006) Vor § 1293 Rz 23.
47 F. Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung 26 ff; ders, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) 192;
Koziol, HPR I3Rz 3/67 ff; Apathy in FS Koziol 526 ff; Karner in KBB5 § 1302 Rz 9; dahingehend auch Larenz, Schuld-
recht I14 527; kritisch Reischauer in Rummel, ABGB3 §1302 Rz 14; Kodek in FS Danzl 116 (119).
48 F. Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung 74 f; daran anschlieĂend Schobel, JBl 2002, 771 (775); Riss, JBl
2004, 423 (425).
49 Koziol, HPR I3 Rz 3/71; ders, RdW 2007, 12; zustimmend Karner in KBB5 § 1302 Rz 9; Schacherreiter in Kle-
teÄka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1302 Rz 57; aA Reischauer in Rummel, ABGB3 §1302 Rz 14 ff; vgl OGH 15.5.2008, 7
Ob 238/07m.
50 Zum Beispiel BGHZ 29, 207 (215) = NJW 1959, 1131: Es ging in der oft zitierten Entscheidung um WohnhÀuser, die
in den Jahren 1938 und 1939 im Zuge der Neugestaltung der ReichshauptstraĂe in Berlin rechtswidrig abgerissen
wurden. Der BGH hielt den Einwand der Beklagten, dass die HÀuser ohnehin spÀter infolge der Kriegsereignisse
zerstört worden wĂ€ren, fĂŒr nicht entlastend; dazu Deutsch, Haftungsrecht I/1 168 f; kritisch zur BegrĂŒndung des
BGH Wendehorst, Ausgleich und Anspruch 129 f; siehe auch NiederlÀnder AcP 153 (1954), 41 ff (51); Grunsky,
Hypothetische KausalitÀt und Vorteilsausgleich, in FS Hermann Lange (1992) 469.
51 von Caemmerer, Das Problem der ĂŒberholenden KausalitĂ€t im Schadenersatzrecht 1; Grunsky in FS Lange 469;
Gebauer, Hypothetische KausalitĂ€t 81 ff; zum Meinungstand vgl Oetker in MĂŒKo/BGB7 § 249 BGB Rn 209 ff. Oetker
selbst geht von einer grundsÀtzlichen Beachtlichkeit der hypothetischen Ursache aus.
52 Kodek in KleteÄka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1293 Rz 23 f; ders in FS Danzl 116 (119 und 127): abgeschwĂ€cht wohl
dahingehend Apathy in FS Koziol 515 (528).
53 So Kodek in KleteÄka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1293 Rz 23 f; ders in FS Danzl 116 (119 und 127): Es handele sich bei
der abstrakten Schadensberechnung nicht um ein unverrĂŒckbares Dogma oder gar Allheilmittel fĂŒr komplexe
Probleme des Schadenersatzrechts; aA F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts 192.
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Austrian Law Journal
Volume 1/2019
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2019
- Author
- Karl-Franzens-UniversitÀt Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 126
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal