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Austrian Law Journal
Austrian Law Journal, Volume 1/2019
Page - 29 -
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Page - 29 - in Austrian Law Journal, Volume 1/2019

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ALJ 2019 Entlastungswirkung der hypothetischen Kausalität 29 haben kann. Es sollte versucht werden, den Sachverhalt, nachdem das pflichtgemäße Verhalten eines durchschnittlichen Schädigers hinzugedacht wurde76, realistisch weiterzudenken.77 2. Die Reichweite der Entlastungswirkung in der Rechtsprechung In der eingangs angesprochenen Entscheidung des 2. Senats des OGH hatte sich eine an Parkinson leidende PKW-Lenkerin über die Wirkung der ärztlich verschriebenen Medikamente auf ihre Fahr- tauglichkeit nicht informiert.78 Die zur Fahruntauglichkeit führende Wirkung gilt hingegen als er- wiesen. Aufgrund der Intoxikation reagierte die zunächst Geschädigte, deren Mitverschulden frag- lich war, im Anschluss an einen minderdramatischen Verkehrsunfall falsch. Sie verwechselte das Gaspedal mit der Bremse und konnte auch die Spur nicht mehr halten. Die für den Unfall in weite- rer Folge kausale verminderte Reaktionsfähigkeit könne ein Laie jedoch in der Regel nur nach ent- sprechender ärztlicher Aufklärung einschätzen. Der PKW-Lenkerin wurde daher nicht die Teil- nahme am Straßenverkehr in fahruntüchtigem Zustand vorgeworfen, sondern die Unterlassung der gebotenen Erkundigung hinsichtlich der Wirkung der zahlreichen eingenommenen Medika- mente. Ein sorgfältiger Verkehrsteilnehmer sei zumindest dazu verpflichtet, einen Arzt zu konsul- tieren oder den Beipackzettel zu lesen, um die Wirkung eines Medikaments auf die Fahrtauglichkeit abzuklären.79 Da es konkret um die Frage nach dem Mitverschulden der Lenkerin ging, prüfte der OGH, ob das sorglose Verhalten kausal war.80 Die Kausalitätsprüfung besteht nun darin, zu erwä- gen, wie sich die Dinge gewöhnlich entwickelt hätten, wenn man sich an das vorgesehene Pflichten- programm gehalten hätte. Nach den oben dargestellten Grundsätzen ist das pflichtgemäße Ver- halten hinzuzudenken. Es geht dabei nicht um die Frage, wie sich die Situation anschließend abs- trakt weiter entwickelt hätte, sondern – soweit das eben möglich ist – um den konkreten Fall.81 Hier kommt es gerade wegen dieser subjektiven Elemente zu einer Überraschung, die zur Reichweite der Entlastungswirkung von hypothetischen Ereignissen überleitet. Der OGH kam zur Überzeu- gung, dass, wenn die Vertrauensärztin der Lenkerin nach der Wirkung der Medikation gefragt wor- den wäre, sich der Kausalverlauf nicht verändert hätte. Es wäre zwar davon auszugehen, dass sich eine Patientin an den Rat der behandelnden Ärztin gehalten hätte. Ebenso klar war, dass ein sorg- fältiger Arzt auf die Fahruntauglichkeit hingewiesen hätte.82 Die konkrete Vertrauensärztin hätte allerdings – wie sich den Feststellungen entnehmen lässt – sorgfaltswidrig ihrer Patientin „beden- kenlos“ Fahrtauglichkeit attestiert. Die Unterlassung der Erkundigungspflicht wäre somit schon gar keine Bedingung für den eingetretenen Schaden gewesen. Das hinzugedachte, rein fiktive Verhal- ten einer Dritten – als Reaktion auf das ebenso fiktive Handeln der Schädigerin – würde im Ergebnis zu einer Entlassung aus der Haftung führen. Die Missachtung der Pflichten eines PKW Lenkers aus 76 Vgl A. Reich-Rohrwig, Aufklärungspflichten 696. 77 Vgl zu Anlegerschäden Kodek, ÖBA 2012, 11; Oberhammer, Zu den Voraussetzungen der Prospekthaftung nach allgemeinem Zivilrecht, ÖBA 1998, 477. 78 OGH 26.6.2017, 2 Ob 117/16v = EvBl 2017/155 (Zoppel). 79 Gaisbauer, Medikamentenbedingte Fahruntüchtigkeit, ZVR 1999, 38; Kletečka-Pulker/Doppler, Autounfall einer Parkinsonpatientin unter starkem Medikamenteneinfluss, JMG 2017, 187. 80 Siehe dazu OGH 22.10.1992, 1 Ob 35/92 = JBl 1993, 389 (Dullinger); vgl Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 Vor § 1304 Rz 22. 81 Vgl Kodek, ÖBA 2012, 11; Oberhammer, ÖBA 1998, 477; Canaris, Die Vermutung „aufklärungsrichtigen Verhaltens“ und ihre Grundlagen in FS Hadding (2004) 3; Rebhahn, Staatshaftung 643 ff. 82 Konkret zu den ärztlichen Pflichten im Zusammenhang mit OGH 26.6.2017, 2 Ob 117/16v; Kletečka-Pulker/Dopp- ler, JMG 2017, 187.
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Austrian Law Journal Volume 1/2019
Title
Austrian Law Journal
Volume
1/2019
Author
Karl-Franzens-Universität Graz
Editor
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Location
Graz
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
Size
19.1 x 27.5 cm
Pages
126
Keywords
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Categories
Zeitschriften Austrian Law Journal
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