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Austrian Law Journal, Volume 1/2019
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Page - 31 - in Austrian Law Journal, Volume 1/2019

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ALJ 2019 Entlastungswirkung der hypothetischen Kausalität 31 A. Einschränkung der Hypothese Bei der Kausalitätsprüfung einer Unterlassung wird die Relevanz eines hypothetischen Kausalver- laufs notwendigerweise anerkannt. Die Hypothese ist aber – wie gezeigt wurde – nicht nur von anderer Qualität,86 sondern auch dem Grunde nach allgemeiner formuliert, als bei der überholen- den Kausalität. Schließlich soll ein Standardfall gelöst werden. Bei der überholenden Kausalität geht es hingegen um eine sachverhaltsbedingte Sonderkonstellation. Dabei steht immer das reale Verhalten eines Dritten und dessen Auswirkung auf die Verantwortlichkeit des Schädigers im Zen- trum. Die Hypothese – der angenommene oder zweite Schädiger hätte den Schaden ohnehin auch verursacht – steht dabei bereits fest. Die Hilfsüberlegung, derer man sich bei der Kausalitätsprü- fung einer Unterlassung bedient, kann indes variieren. Zwar sind die gebotenen Verhaltensvarian- ten, die hinzuzudenken wären, nicht unbeschränkt, hält man jedoch alle Reaktionen auf das pflicht- gemäße hypothetische Verhalten des Schädigers für wesentlich, gelangt man ohne große Phanta- sie zu ausufernden Kausalitätsketten.87 Diese müssten folglich wohl auch zu einer Entlastung füh- ren. Die allgemein gehaltene Hypothese kann damit mE nur dann sachgerecht eingesetzt werden, wenn sie eine Einschränkung erfährt.88 Diese Einschränkung fällt jedoch alles andere als leicht. Schulin hält zu Recht die Grenzziehungen zwischen Relevanz und Irrelevanz von erdachten Sach- verhaltselementen für die schwierigste Frage bei der Kausalitätsprüfung einer Unterlassung.89 Da- bei muss schon aufgrund der Verschränkung von rechtmäßigem Alternativverhalten und Kausali- tät bei der Unterlassung der Normzweck stets das Leitmotiv bilden. Die Kausalität einer Unterlas- sung ist eben nicht bloß rein naturwissenschaftlich-logisch zu prüfen, sondern stellt eine normative Kategorie dar und ist damit von Wertungen mitgetragen.90 Bei der Einschränkung der Hypothese kann der allgemeine Zweck des Schadensersatzrechts, Verhalten zur Schadensvermeidung zu 86 In diese Richtung gehend jüngst zum rechtmäßigen Alternativverhalten OGH 28.2.2018, 6 Ob 234/17f. 87 Vgl Canaris in FS Hadding 3 (13): Zur Lehre vom „Erfolg in seiner konkreten Gestalt“: Es seien danach alle Umstände oder Vorgänge als ursächlich für ein bestimmtes Ereignis anzusehen, die vorliegen mussten, damit es sich so, an diesem Ort, zu dieser Zeit, in dieser Weise ereignen konnte. Nach dem Normzweck sei dann zu eruieren, welche Umstände irrelevant seien. Canaris entwickelt den Gedanken, dass bei einer unterlassenen Aufklärungspflicht, sich der Kausalverlauf schon dadurch verändert, weil keine freie Entscheidung mehr getroffen werde. Die Kausa- lität sei demnach auch dann zu bejahen, wenn der andere Teil sich trotz der Aufklärung genauso verhalten hätte, wie ohne diese. 88 Zur Einschränkung der Prüfung der hypothetischen Kausalität Schobel, JBl 2002, 771 FN 9. Schobel setzt sich unter anderem mit dem Problem der sogenannten „intrakausalen situativen Dependenz“ auseinander. Dabei geht es um Konstellationen, bei denen das Hinwegdenken einer hypothetischen Schadensursache dazu führt, dass eine andere Ursache in ihrer konkreten Form gar nicht mehr eintreten kann. Schobel spricht sich in diesem Zusam- menhang für eine Einschränkung auf das direkte schadenskausale Moment aus. Wird beispielsweise eine Kuh, die bei Schlechtwettergefahr am Straßenrand steht, von einem sorglosen Lenker und einem Blitz gleichzeitig getötet, so sei nicht zu fragen, was passiert wäre, wenn der Bauer (Geschädigte) die Kuh ordnungsgemäß im Stall gehalten hätte. Um zu verhindern, dass das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Lenkers ohne Konsequenz bleibt, sei ausschließlich das unmittelbar schadensauslösende Moment als maßgebliche Ursache zu identifizieren und hinwegzudenken. Die Rahmenbedingungen (Kuh steht trotz Gewitters am Straßenrand) sollen hingegen unverän- dert bleiben. 89 Schulin, Der natürliche – vorrechtliche – Kausalitätsbegriff im zivilen Schadensersatzrecht 162 f. 90 Gebauer, Hypothetische Kausalität 8 f will die Beurteilung von hypothetischen Kausalverläufen auf einer Wer- tungsebene vornehmen. Es handele sich weniger um eine Frage der Kausalität und ginge mehr um ein Problem der Zurechnung. Zum rechtmäßigen Alternativverhalten im Zusammenhang mit Unterlassungen: Koziol, Grund- fragen des Schadenersatzrechts 7/23. Koziol schließt den haftungsbefreienden Einwand des rechtmäßigen Alter- nativverhaltens bei Vorsatz des Schädigers aus. Der Präventionsgedanke sei in diesen Fällen stärker; Karollus, Schutzgesetzverletzung insbesondere 395 FN 24 lässt die Frage, welches Verhalten hinzuzudenken ist, weitgehend offen; mit einigen Einschränkungen aus strafrechtlicher Perspektive bezogen auf den sogenannten „Hadikgasse- Fall“ siehe Burgstaller, AnwlBl 1980, 99 (102); jüngst A. Reich-Rohrwig, Aufklärungspflichten 693 ff.
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Austrian Law Journal Volume 1/2019
Title
Austrian Law Journal
Volume
1/2019
Author
Karl-Franzens-Universität Graz
Editor
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Location
Graz
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
Size
19.1 x 27.5 cm
Pages
126
Keywords
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Categories
Zeitschriften Austrian Law Journal
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