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ALJ 2019 Waldemar Hummer 58
Zahlungsfähigkeit der Mitgliedstaaten“.16 Der Gerichtshof stellt folglich – hinsichtlich der Berech-
nung des Faktors „n“ – nicht mehr auf das Kriterium der Anzahl der Stimmen, über die der betref-
fende Staat im Rat verfĂĽgt, ab, sondern stĂĽtzt sich vorwiegend auf das BIP dieses Mitgliedstaates.
Da die Kommission aber unbedingt – als „abschreckenden“ Faktor – auch das „institutionelle Ge-
wicht“ eines betroffenen Mitgliedstaates berücksichtigen möchte, musste sie diesbezüglich ein an-
deres Kriterium heranziehen und berĂĽcksichtigt nunmehr die Anzahl der Sitze, die jedem Mitglied-
staat im Europäischen Parlament zugewiesen werden.17 Ein weiterer Grund dafür, das „institutio-
nelle Gewicht“ eines Mitgliedstaates in die Berechnung des Faktors „n“ einfließen zu lassen, ist der
Umstand, dass die Berechnung auf der Grundlage des BIP alleine die Spanne des Faktors „n“ zwi-
schen den Mitgliedstaaten deutlich erhöhen würde. Die Differenz zwischen dem niedrigsten und
dem höchsten Faktor „n“ liegt derzeit bei 55; sie würde sich aber auf 312 erhöhen, wenn lediglich
das BIP herangezogen werden wĂĽrde.18 Durch die BerĂĽcksichtigung der Anzahl der Sitze im Euro-
päischen Parlament bei der Berechnung des Faktors „n“ würde sichergestellt werden, dass sich die
Differenz zwischen den Mitgliedstaaten weiterhin innerhalb einer vernĂĽnftigen Spanne bewegt.
Was den Referenzwert für den Faktor „n“ betrifft, so hat die Kommission bisher den Faktor „n“ für
Luxemburg herangezogen; eine Berechnung, die aus einer Zeit stammt, in der Luxemburg das
Land mit dem niedrigsten Gesamt-BIP unter den Mitgliedstaaten war. Die Kommission ist nunmehr
der Ansicht, dass ein Referenzwert verwendet werden soll, der die heutige wirtschaftliche und po-
litische Realität besser abbildet, und wird daher den Referenzwert für den Faktor „n“ dergestalt
bestimmen, dass sie den Durchschnittswert beider Faktoren, nämlich des BIP und der Zahl der
Abgeordneten-Sitze im Europäischen Parlament, heranzieht.19
Werden diese Faktoren aber ohne Anpassungskoeffizienten verwendet, so liegt der Referenzwert
für den Faktor „n“ erheblich unter dem derzeitigen Wert. Es bedarf daher einer Anpassung, damit
die von der Kommission vorgeschlagenen Beträge weiterhin verhältnismäßig und ausreichend ab-
schreckend sind. Mit einem Anpassungsfaktor von 4,5 würden sich die Beträge dem derzeitigen
Niveau annähern, ohne dass ein Mitgliedstaat mit einer Erhöhung konfrontiert wäre. Die jeweiligen
einheitlichen Grundbeträge für die Berechnung des Tagessatzes für das Zwangsgeld und der Pau-
schalbeträge werden daher wie folgt angepasst:20
- Einheitlicher Grundbetrag des Tagessatzes für das Zwangsgeld: 690 € x 4,5 = 3.105 €
- Einheitlicher Grundbetrag des Pauschalbetrags: 230 € x 4,4 = 1.035 €.
Nach derselben Logik wird auch der aktuelle Referenzmindestpauschalbetrag von 571.000 € mit
dem neuen Faktor „n“ multipliziert, um den Mindestpauschalbetrag für jeden Mitgliedstaat zu be-
rechnen. Um sicherzustellen, dass die vorgeschlagenen Beträge verhältnismäßig und ausreichend
16 EuGH 14. 11. 2018, C-93/17, Europäische Kommission/Hellenische Republik (ECLI:EU:C:2018:903) Rn 139 f.
17 Für die laufende Wahlperiode siehe dazu Art 3 des Beschlusses 2013/312/EU des Europäischen Rates vom 28. Juni
2013 über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments, ABl L 2013/181, 57, und Art 3 des Beschlusses
2018/937/EU des Europäischen Rates vom 28. Juni 2018 über die Zusammensetzung des Europäischen Parla-
ments, ABl L 2018/165 I, 1 ff, für die nächste Wahlperiode, die am 2. Juli 2019 beginnt.
18 Mitteilung der Kommission C(2019) 1396 final vom 20. Februar 2019, 2, ABl C 2019/70, 1 ff.
19 Der Durchschnittswert wird wie folgt berechnet: Der Faktor „n“ ist ein geometrisches Mittel und wird als Quadrat-
wurzel des Produkts aus den Faktoren berechnet, die auf dem BIP der Mitgliedstaaten sowie auf der Anzahl ihrer
Sitze im Europäischen Parlament beruhen; Mitteilung der Kommission C(2019) 1396 final, 3.
20 Mitteilung der Kommission C(2019) 1396 final, 3.
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Austrian Law Journal
Volume 1/2019
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2019
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 126
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal