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Austrian Law Journal
Austrian Law Journal, Volume 1/2019
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Page - 70 - in Austrian Law Journal, Volume 1/2019

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ALJ 2019 Christoph Zehetgruber 70 Auch eine rechtstatsächlich-verfassungsrechtliche Betrachtung spricht für ein einschränkendes Verständnis des Irrtums und damit der Anwendung des § 334 StPO. Da es keine evidenzbasierten Ergebnisse gibt, nach welchen Geschworenengerichte häufiger Fehlurteile fällen würden als Be- rufsrichter, und der Verfassungsgesetzgeber sich in Österreich in bestimmten Fällen für die Ge- schworenengerichte entschieden hat, ist es weder gesamtsystematisch nachvollziehbar noch ver- nünftig oder einsichtig, weshalb den Berufsrichtern über § 334 StPO einfachgesetzlich eine im Er- gebnis größere Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Aussetzung bei vertretbaren Entschei- dungen der Geschworenen eingeräumt wird. Nach alledem konterkariert der derzeitige Anwendungsumfang des § 334 Abs 1 StPO, geprägt (auch) durch das sehr weite Verständnis des Tatbestandsmerkmals des Irrtums, die tatsächliche Entscheidungskompetenz der Geschworenen. C. Die berufsrichterliche Aussetzungsentscheidung als amtswegig wahrzuneh- mende, sanktionslose Verpflichtung? Die Ansicht der hM, der Schwurgerichtshof sei bei Einstimmigkeit bei jeglichem differenten Ergeb- nis in Bezug auf die Entscheidung der Geschworenen in der Hauptsache von Amts wegen zur Aus- setzung verpflichtet,60 vermag nicht zu überzeugen.61 Der Wortlaut der Norm ([…] „beschließt“) umschreibt allein das weitere Procedere nach Einstimmigkeit der Berufsrichter, sofern ein Irrtum der Geschworenen (siehe hierzu die Ausführungen unter III.A. und III.B.) vorliegt (Aussetzung, Vor- lage an den OGH), erteilt jedoch keine Verpflichtung zur Aussetzung bei (schlicht) anderer Ansicht als die Geschworenen. Eine solche Verpflichtung hätte der Gesetzgeber in klarerer, unmissver- ständlicherer Weise zum Ausdruck gebracht.62 Zu Ende gedacht führt eine solche Interpretation dazu, dass die von der freien Beweiswürdigung der Geschworenen abhängende Entscheidung über Schuld oder Unschuld63 im Sinne eines Stufenverhältnisses Berufsrichter – Geschworene voll- kommen ad absurdum geführt würde, was mit dem Normbefehl des § 91 Abs 2 B-VG nicht in Ein- klang zu bringen ist.64 Auch müssten die Berufsrichter demnach bei anderer, ebenso vertretbarer, differenter Entscheidung in der Hauptsache das Urteil immer aussetzen, wären somit bei anderer Ansicht zur Vernichtung desselben von Amts wegen verpflichtet. Dies erscheint nicht überzeugend; dagegen streitet neben den angeführten Punkten auch der Umstand, dass eine insofern vorlie- gende Pflichtverletzung nach hM keinerlei Konsequenzen für das Verfahren (die pflichtwidrige 60 Etwa OGH 17. 2. 2010, 15 Os 162/09a; Danek, Wahrheitsfindung und Prozessökonomie – Welche Rolle kommt dem Vorsitzenden in der Hauptverhandlung zu? RZ 2004, 122 (129); Hinterhofer/Oshidari, System Rn 10.35; Lewisch, Geschworenengerichte 16; derselbe, AnwBl 2010, 216, 218; Nimmervoll, Strafverfahren 590; Sadoghi, Geschwore- nengerichtsbarkeit 235 mN in FN 1224; Sadoghi, JSt 2008, 79 mN in FN 12, 80; dieselbe, ÖJZ 2018, 259 mN; Philipp in WK-StPO § 334 Rn 8; Seiler, Strafprozessrecht17 Rn 959; offen gelassen bei Groschedl/Oswald/Pavlidis/Pi- netz/Schaffer/Ziniel, ecolex 2018, 1044. 61 Vgl zur „Begründung“ dieser Auffassung etwa Burgstaller in Burgstaller/Schima/Császár, Aussetzung 32 mVa FN 84: („Liegen aber alle Voraussetzungen für eine Anwendung des § 334 StPO vor, ist der Schwurgerichtshof nicht bloß berechtigt, sondern auch verpflichtet. Für eine Ermessensentscheidung lässt das Gesetz keinen Raum. Das ist allgemein anerkannt“). Diese per se einer nachvollziehbaren Begründung entbehrende Ansicht wurde und wird bis heute unwidersprochen weiter getragen, siehe nur die Nachweise in FN 60. 62 Zu denken wäre etwa an das Wort/die Wortfolge „muss“ oder „hat […] zu beschließen“; aA (wenngleich ohne Be- gründung) Sadoghi, JSt 2008, 79 mVa diesbezügliche Nachweise in FN 12. 63 Siehe Lewisch, Geschworenengerichte 29. 64 AA Burgstaller in Burgstaller/Schima/Császár, Aussetzung 157, 158.
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Austrian Law Journal Volume 1/2019
Title
Austrian Law Journal
Volume
1/2019
Author
Karl-Franzens-Universität Graz
Editor
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Location
Graz
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
Size
19.1 x 27.5 cm
Pages
126
Keywords
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Categories
Zeitschriften Austrian Law Journal
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