Page - 75 - in Austrian Law Journal, Volume 1/2019
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ALJ 2019 Die Aussetzung (§ 334 StPO) 75
zukommen sollen,89 (abgesehen wohl von einer inzidenten im Rahmen einer angeregten und auf-
genommenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach § 23 StPO)90 erscheint als
überaus bedeutsame verfahrensrechtliche Entscheidung. Aus dessen Bedeutung folgt hinsichtlich
des Verfahrensausgangs jedenfalls notwendigerweise (entgegen der derzeitigen, durch § 341 StPO
dokumentierten Rechtslage) insofern die Begründungsbedürftigkeit, besteht ansonsten doch die
Gefahr, dass der Schatten der Willkür auf derartige Vorgehensweisen fällt.91 Das System der öster-
reichischen StPO kennt darüber hinaus ansonsten keine begründungs- und damit rechtsschutzlo-
sen Beschlüsse vergleichbarer Qualität eines Strafgerichts, sodass gerade in diesem sensibelsten
Bereich des Strafrechts ein herabgesetztes Rechtsschutzniveau mehr als fragwürdig anmutet. Eine
belastbare Begründung für die Begründungslosigkeit der Aussetzungsentscheidung vermag nach
alledem weder die Rechtsprechung noch die derzeitige Lehre zu bieten. Ein begründeter, mit ein-
fachen Prüfkriterien ausgestatteter Aussetzungsbeschluss würde in diesem Zusammenhang nicht
nur die Rechtslage für die Normunterworfenen verbessern und ein seit langem vergangenes Ver-
ständnis (siehe FN 85) der Vorschrift bereinigen, sondern sich auch in systematischer Hinsicht be-
deutend passgenauer ins Gesamtgefüge der StPO eingliedern.
E. Die behauptete Unanfechtbarkeit der Aussetzungsentscheidung
Ohne vorhandene Begründung ist eine Anfechtbarkeit des Aussetzungsbeschlusses tatsächlich
schwierig denk-,92 wenngleich nicht unmöglich. Hiervon unabhängig basiert die These der Unan-
fechtbarkeit des Aussetzungsbeschlusses schlicht auf einer über Jahrzehnte tradierten, jedoch
nicht überzeugend begründeten Ansicht.93 Nach hier vertretenem Verständnis bedarf es in einem
89 Mayerhofer/Hollaender, Strafprozessrecht5 § 334 Rn 5; Philipp in WK-StPO § 334 Rn 14; Sadoghi, JSt 2008, 79. Der
OGH ist nach dem Gesetzeswortlaut des § 334 Abs 2 StPO nur dazu ermächtigt, die Sache an ein anderes Geschwo-
renengericht zu verweisen, er handelt insofern bloß formal, dem Grunde nach (Ausnahme: erhobene Nichtigkeits-
beschwerde nach § 23 StPO) jedoch ohne inhaltliche Prüfungskompetenz in der Sache selbst; siehe hierzu auch
Philipp in WK-StPO § 334 Rn 14 (uVa OGH 12. 6. 1985, 9 Os 94/85, SSt 56/45, siehe RIS-Justiz RS0101247; jüngst
OGH 12. 9. 2018, 13 Os 22/18m), wonach der OGH selbst dann, wenn er zur Auffassung käme, die Aussetzung sei
zu Unrecht erfolgt, über den Weg des § 334 Abs 2 StPO jene nicht aufheben könnte, da er „nicht dazu berufen sei“,
den Aufhebungsbeschluss auf seine Richtigkeit zu überprüfen; idS auch Hinterhofer/Oshidari, System Rn 10.35;
Sadoghi, ÖJZ 2018, 259; Seiler, Strafprozessrecht17 Rn 961. Ein solches Verständnis degradiert den OGH freilich in
Bezug auf § 334 StPO zum reinen „Vollzugsautomaten“ der schwurgerichtlichen Aussetzungsentscheidung, und
stellt die Sinnhaftigkeit der diesbezüglichen Verweisung an den OGH per se in Frage.
90 So Hinterhofer/Oshidari, System Rn 10.35; Mayerhofer/Hollaender, Strafprozessrecht5 § 334 Rn 6 uVa SSt 25/27;
aA wohl Burgstaller in Burgstaller/Schima/Császár, Aussetzung 38.
91 Vgl hierzu (wenngleich auf die allgemeine Urteilsbegründung im geschworenengerichtlichen Verfahren bezogen,
jedoch durchaus auf die mögliche Begründung der Aussetzungsentscheidung übertragbar) Reindl-Krauskopf,
AnwBl 2010, 226; instruktiv allgemein Schroll in Soyer, Strafverteidigung 50 („Begründungslose Entscheidungen
stehen grundsätzlich unter dem Nimbus der Willkür.“); tendenziell ähnlich Moos, JBl 2010, 77.
92 Siehe Burgstaller in Burgstaller/Schima/Császár, Aussetzung 37; Schroll in Soyer, Strafverteidigung 51.
93 Gemeint ist damit Burgstaller in Burgstaller/Schima/Császár, Aussetzung 34 mVa Lohsing-Serini, Liebscher und
Wolff in FN 92 („Einer – über den Hinweis darauf, daß der Schwurgerichtshof einstimmig einen Irrtum in der Haupt-
sache angenommen hat hinausgehenden – Begründung bedarf der Aussetzungsbeschluß nicht. § 341 StPO.
spricht zwar ausdrücklich nur davon, daß der Beschluß auf Aussetzung ohne Begründung zu verkünden ist, doch
erscheint nicht zweifelhaft, daß das Gesetz dabei voraussetzt, daß ein solcher Beschluß auch ohne Begründung
zu erlassen ist. Darüber herrscht Übereinstimmung.“); vgl ferner Mayerhofer/Hollaender, Strafprozessrecht5 § 334
Rn 5 mN. Erhellend auch die von Burgstaller in Burgstaller/Schima/Császár, Aussetzung 34 in FN 92 sowie 37 ge-
botene Zusatzbegründung der Begründungslosigkeit („Außerdem wäre eine solche Begründung auch ohne echte
Funktion, da ein nach § 334 StPO. gefällter Beschluß nach allgemeiner [sic!] Auffassung unanfechtbar ist.“ […] „Ob-
wohl es nicht ausdrücklich im Gesetz gesagt ist, sind sich Lehre und Rechtsprechung darin einig, daß ein Beschluß
auf Aussetzung der Entscheidung unanfechtbar ist.“) und seine (uVa Mayer, Rittler und Popescu) gemachten Aus-
führungen zur Rechtslage vor der Einführung des dem heutigen § 341 StPO entsprechenden Norm im Jahre 1934,
wonach „die Auffassung, ein Beschluß auf Aussetzung bedürfe keiner besonderen Begründung, auch für das
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Austrian Law Journal
Volume 1/2019
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2019
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 126
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal