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ALJ 2021 Schadenersatz 3
einschließlich Drittens des „Verlöbnispatents“ finden sich mit geringfügigen Änderungen in
den §§ 1 f drittes Hauptstück Josephinisches Gesetzbuch.12
Erfahrungen während der Regierungszeit von Josef II. weckten jedoch Zweifel an der Billigkeit,
jeden Ersatzanspruch auszuschließen.13 Diese Zweifel griff die Kommission unter Martini auf.
Sie legte zunächst fest, dass „der ohne rechtlicher Ursache zurücktretende Theil dem
Beleidigten, sofern er es ausdrücklich verlanget, wegen unterloffener List, Betrug oder
Schwächung eine Genugthuung zu leisten schuldig seie.“14 Dieser Beschluss wurde später
revidiert, schließlich aber doch wieder hergestellt. Überdies wurde betont, dass nicht vom
Grundsatz abzugehen ist, „daß Eheverlöbnisse der verpflichtenden Kraft entbehren“, und
dass sich die Entschädigungsverpflichtung nicht aus dem unverbindlichen Eheverlöbnis
herleitet, „sondern aus der allgemeinen Gerechtigkeit, nach welcher Jeder dem Anderen, den
er muthwillig beleidiget oder beschädiget, genugthun muß“.15 Weitere Beratungen führten im
Jahr 1793 zu folgenden Formulierungen:
„§. 2. Die Eheverlobung oder das Versprechen, künftig einander zu heirathen, soll
niemals ein Zwangsrecht zur Ehelichung hervorbringen.
§. 3. Wäre aber ein Theil durch die muthwillige Zurücktretung des anderen Theiles
beschädigt worden, so ist der Urheber des Schadens den Ersatz zu leisten schuldig.“16
Im Jahr 1796 sprach sich die Directions-Kommission dafür aus, vom Erfordernis eines
mutwilligen Rücktrittes abzusehen und den Ersatzanspruch dem Teil zuzuerkennen, der
keinen Anlass zum Rücktritt gegeben hat. Weiters beschränkte sie den Anspruch auf den
Ersatz der Auslagen, die in Erwartung der Eheschließung gemacht wurden.17
Daher hielt der Entwurf Martini, der 1797 als Westgalizisches Gesetzbuch („WGGB“)18
kundgemacht wurde, daran fest, dass das Eheverlöbnis weder eine rechtliche Verbindlichkeit
zur Eheschließung nach sich zieht noch „zur Leistung desjenigen, was auf den Fall des
Rücktritts bedungen worden“ war, und dass „dem Theile, der von seiner Seite keine
12 Das Dritte Hauptstück des Patents vom 1.11.1786, Justizgesetzsammlung 1786/591 (abrufbar unter www.alex.onb.ac.at,
zuletzt abgerufen am 7.4.2021) trägt den Titel „Von den Rechten zwischen Eheleuten“ und lautet:
„§ 1. Eheversprechen, wodurch sich ein Manns- und Weibsperson die Ehe vorhinein zusagen, haben keine rechtliche Verbindlichkeit. Wenn
daher ein Eheversprechen gleichwohl eingegangen wird, dasselbe möge auf was immer für eine Art gefasset, mit was immer für
Feyerlichkeiten versehen seyn, soll es weder eine Verbindlichkeit zur künftigen Ehe nach sich ziehen, noch sonst eine rechtliche Wirkung
haben.
§ 2. Um so minder soll eine nach vorhergegangenem Eheversprechen geschehene Schwächung oder Schwängerung eine Verbindlichkeit
zur künftigen Ehe gründen; eine solche Schwächung oder Schwängerung soll nicht anders angesehen werden, als wenn solche ohne
vorheriges Eheversprechen geschehen ist.“
13 Swoboda, GZ 1923, 57 (58). Nach Zeiller (Commentar über das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für die gesammten
Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie I [1811] § 46 Anm 1 [S. 173]) erkannte die Rechtsprechung sogar
schon unter der Geltung des Josephinischen Gesetzbuches bei Rücktritt vom Verlöbnis auf Ersatz, sofern ein Teil
„Voranstalten vorsichtiger Weise machen mußte“. S auch die Beratungsprotokolle zum ABGB, abgedr bei Ofner, Der Ur-
Entwurf und die Berathungs-Protokolle des Oesterreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs I (1889) 69.
14 Harrasowsky, Codex Theresianus IV 32 in Fn 8.
15 Harrasowsky, Codex Theresianus IV 32 f in Fn 8.
16 § 2 und § 3 Erster Theil Drittes Hauptstück Bürgerliches Gesetzbuch nach dem Entwurf Martini (abgedr bei Harrasowsky,
Codex Theresianus V [1886] 26).
17 Harrasowsky, Codex Theresianus V 26 f in Fn 2.
18 Patent vom 13.2.1797, Justizgesetzsammlung 1797/373 (abrufbar unter www.alex.onb.ac.at, zuletzt abgerufen am 7.4.2021).
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Austrian Law Journal
Volume 1/2021
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2021
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 59
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal