Page - 4 - in Austrian Law Journal, Volume 1/2021
Image of the Page - 4 -
Text of the Page - 4 -
ALJ 2021 S.-F. Kraus 4
gegründete Ursache zu dem Rücktritte gegeben hat, der Anspruch auf den Ersatz des
Schadens vorbehalten (bleibt), welchen er aus diesem Rücktritt zu leiden beweisen kann.“
(§ 59 und § 60 Erster Theil Drittes Hauptstück).
Die Parallelen des WGGB zu den §§ 45, 46 ABGB fallen ins Auge.19 Der Grund für die
Parallelen ist, dass die Redaktoren auch den Beratungen zum Verlöbnis20 das WGGB als
„Urentwurf“ zugrunde legten21 und kaum Abweichendes beschlossen. So nahmen die
Redaktoren zum Unterbleiben der rechtlichen Verbindlichkeit des Verlöbnisses (s § 45 ABGB)
keine Änderungen vor.22 Das ist wenig überraschend, wenn man die Ausführungen Zeillers
aus dem Jahr 1808 zur Behandlung des Verlöbnisses im Josephinischen Gesetzbuch liest.
Dass nach dem Josephinischen Gesetzbuch das Eheversprechen weder die Verbindlichkeit
zur Eheschließung noch sonst eine rechtliche Wirkung nach sich zieht, beruht nach Zeiller23
nämlich „auf der allgemein anerkannten Wahrheit, daß die Ehe, wenn sie dauerhafte,
beglückende Verbindung seyn soll, aus wahrer, wechselseitiger Neigung mit vollkommen
freyem Willen, folglich ohne allen unmittelbaren oder mittelbaren Zwang geschlossen werden
müsse.“ Zur Behandlung des Rücktrittes vom Verlöbnis (s § 46 ABGB) lagen zwar diverse
Erinnerungen in den Beratungen vor. Es wurde jedoch im Zuge der Beratungen des Jahres
1802 lediglich auf Vorschlag Haans einstimmig beschlossen, die Formulierung „gegeben hat“
durch „entstanden ist“ zu ersetzen.24 Im Jahr 1807 blieb man – gegen Pratobevera und
Sonnenfels – aus den Gründen, die bereits bei der ersten Beratung erörtert worden waren,
beim damals formulierten Text. Zum Text merkte Zeiller lediglich am Rand an, dass „der
Anspruch auf Ersatz des Schadens“ um die Beisetzung „wirklichen“ ergänzt wurde.25
Damit zeigt der entstehungsgeschichtliche Rückblick: Die ABGB-Redaktoren rüttelten zwar
nicht mehr daran, dass das Verlöbnis keine rechtliche Verbindlichkeit zur Eheschließung nach
sich zieht. Sehr wohl beschäftigte die ABGB-Redaktoren aber der Schadenersatzanspruch im
Falle des Rücktrittes vom Verlöbnis. Dieser Schadenersatzanspruch ist bis heute Gegenstand
der Kontroverse, die bereits Eingangs angesprochen wurde.
19 Demelius, JBl 1948, 277 (278).
20 Anders, Grundriß 1; Wentzel in Klang, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch I/1² (1964) 339;
Oberhofer, ÖJZ 1994, 433 (435).
21 § 59 Erster Theil Drittes Hauptstück ABGB-Urentwurf (abgedr bei Ofner, Protokolle I VIII) lautet:
„Das Eheverlobniß, oder das vorläufige Versprechen sich zu ehelichen, unter was für Umständen oder Bedingungen es gegeben, oder erhalten
worden, zieht keine rechtliche Verbindlichkeit nach sich weder zur Schlüssung der Ehe selbst, noch zur Leistung desjenigen, was auf den Fall
des Rücktritts bedungen worden.“
§ 60 Erster Theil Drittes Hauptstück ABGB-Urentwurf (abgedr aaO) lautet:
„Nur bleibt dem Theile, der von seiner Seite keine gegründete Ursache zu dem Rücktritte gegeben hat, der Anspruch auf den Ersatz des
Schadens vorbehalten, welchen er aus diesem Rücktritte zu leiden beweisen kann.“
22 Zu § 59 ABGB-Urentwurf im Jahr 1802 lagen keine Erinnerungen vor (Beratungsprotokolle zum ABGB, abgedr bei Ofner,
Protokolle I 69) und sein Inhalt war auch nicht Gegenstand der Beratungen 1807 (Beratungsprotokolle zum ABGB, abgedr
bei Ofner, Protokolle II 335 ff).
23 Zeiller, Jährlicher Beytrag zur Gesetzeskunde und Rechtswissenschaft in den österreichischen Erbstaaten, Drittes Buch
(1808) 124.
24 Ofner, Protokolle I 69 ff.
25 Ofner, Protokolle II 336 ff (insb 339 in Fn 1). Damit dürfte Zeiller schließlich doch seinen Gedanken aus der ersten Beratung
des Jahres 1802 durchgesetzt haben, dass die Entschädigung nicht auf den Ersatz der Auslagen beschränkt sein darf, weil
der „reelle Schaden auch in anderen Stücken bestehen könne. […] Der Deutlichkeit willen könnte jedoch in dem Texte etwa
das Beiwort ‚wirklichen’ oder ‚eigentlichen Schaden’ hinzugefügt werden, wodurch man den Schaden von dem Entgange des
Gewinnes deutlicher zu unterscheiden pfleget.“
back to the
book Austrian Law Journal, Volume 1/2021"
Austrian Law Journal
Volume 1/2021
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2021
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 59
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal