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Austrian Law Journal, Volume 1/2021
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Page - 13 - in Austrian Law Journal, Volume 1/2021

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ALJ 2021 Schadenersatz 13 Das zu Erklären verlangt aber das Prinzip der „relativen (zweiseitigen) Rechtfertigung“. F. Bydlinski74 leitete das Prinzip der relativen (zweiseitigen) Rechtfertigung aus der Überlegung ab, dass sich die Zuteilung von Rechten an ein bestimmtes Rechtssubjekt stets mit Pflichten für ein bestimmtes anderes, grundsätzlich gleichwertiges Rechtssubjekt verbindet. Für einen Schadenersatzanspruch ist daher nicht nur – wie soeben exerziert – zu erklären, warum dem Geschädigten „an sich“ Schadenersatz gebührt. Vielmehr ist auch darzulegen, gegen wen dieser Schadenersatz gerechtfertigt werden kann. Gerade an dieser Voraussetzung zur Belastung des anderen Rechtssubjekts entzündet sich die Kontroverse der Schadenersatzhaftung bei Verlöbnisrücktritt, wenn und weil das Verschuldenserfordernis in Frage steht.75 Denn das Verschulden fällt ein Urteil über den Täter.76 Deshalb ist man verleitet zu fragen, wie dafür die bisher angestellten Überlegungen weiterhelfen können. A. § 46 ABGB ein Tatbestand des negativen Vertrauensschutzes Der Mehrwert der angestellten Überlegungen ist, dass sie einer anderen Sicht auf die Schadenersatzpflicht nach § 46 ABGB die Bahn brechen. Denn die österreichische Lehre anerkennt, dass Vertrauen positiv und negativ geschützt werden kann.77 Diese Differenzierung zwischen positivem und negativem Vertrauensschutz geht auf die Untersuchungen von Canaris78 zur Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht zurück. Sie besagt, dass der Vertrauende entweder so gestellt werden kann, „wie es der von ihm Richtung auch der OGH in der E 1 Ob 143/34 (JBl 1934, 188), wonach das gesetzgeberische Motiv bei § 46 ABGB darin bestand, einen wirtschaftlichen Ausgleich des Schadens herbeizuführen, „der sich daraus ergibt, daß eine Person in ihren berechtigten Erwartungen auf das Verhalten einer anderen Person getäuscht wird. Es soll eben der geschützt werden, der im Vertrauen auf ein, wenn auch ungültiges Versprechen ‚vorsichtigerweise Veranstaltungen machen mußte’.“ Ferner stellte bereits Zeiller (ABGB I § 46 Anm 1 [S. 173]) eine Verbindung von § 46 ABGB zu § 878 ABGB her (s auch Dolliner, Eherecht I² 17: „Wie bey anderen ungültigen Verträgen bisweilen die Rechtspflicht zu einer Entschädigung eintritt, […].“). Nach Zeiller wird nämlich beim Rücktritt vom Verlöbnis die Schadenersatzpflicht, „so wie in mehreren anderen Fällen (§§. 869. u. 878.) durch die Ungültigkeit des Vertrages nicht aufgehoben […].“ Diese Verbindung kommt auch ein Stück weit in seinem Verständnis zum Ausdruck, dass sich die Schadenersatzpflicht nach § 46 ABGB „aus der getäuschten Erwartung“ herleitet (Zeiller, Jährlicher Beytrag III 124). Denn § 878 S 3 ABGB Stammfassung (= JGS 946/1811) normierte unter anderem noch die Verantwortlichkeit desjenigen, der „einen Andern durch dergleichen Zusage täuschet“. Die Parallele, die Zeiller von § 46 ABGB zu § 878 ABGB zog, verdient auch heute noch Beachtung. Das obwohl § 878 ABGB im Zuge der 3. TN novelliert wurde. Der Vorschlag zu § 878 S 3 ABGB idgF beruht nämlich auf dem Vorschlag Scheys, der sich dabei an § 307 BGB aF orientiert und denselben „Gedanke[n] bereits in dem gegenwärtigen § 878 a.b.G.B.“ erkannt hat (Vorschlag des Hofrates Professors Dr. Josef Freiherrn v. Schey, einsehbar im Österreichischen Staatsarchiv, Abteilung Allgemeines Verwaltungsarchiv, 1030 Wien, Nottendorfergasse 2 unter der Signatur Justizministerium I B I (1901-1917), Kasten 36, Beilage 28, Seite 6 [insb Anmerkung 19]). Aus den „Erläuternde[n] Bemerkungen zu dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Änderung und Ergänzung einiger Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches“ (EB 29 BlgNr 18. Session [1907] 126) erfährt man überdies, dass schärfer als bisher in Anlehnung an § 307 BGB aF der Gedanke ausgedrückt werden sollte, „daß hinsichtlich Bestand und Umfang des Ersatzanspruches desjenigen, der über die Möglichkeit der Leistung getäuscht wurde, sein Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages maßgebend ist.“ 74 F. Bydlinski, System 92 ff; s ergänzend auch F. Bydlinski, Die Maxime beidseitiger Rechtfertigung im Privatrecht, in FS Koziol (2010) 1355 ff. Dieses Prinzip findet mittlerweile Eingang in Zivilrechtslehrbücher (zB P. Bydlinski, AT8 26 f). Deshalb darf wohl davon ausgegangen werden, dass dieses Prinzip verbreitet auf Akzeptanz stößt. 75 Siehe dazu bei und die Nachweise in Fn 26. 76 Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1294 ABGB Rz 20; R. Welser/Zöchling-Jud, Grundriss des bürgerlichen Rechts II14 (2015) 387; Karner in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger, ABGB6 § 1294 Rz 7. S auch Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I4 (2020) C 2 Rz 1. 77 Siehe dazu S.-F. Kraus, Der negative Vertrauensschutz (in Druck). 78 Grundlegend Canaris, Vertrauenshaftung 5.
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Austrian Law Journal Volume 1/2021
Title
Austrian Law Journal
Volume
1/2021
Author
Karl-Franzens-Universität Graz
Editor
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Location
Graz
Date
2021
Language
German
License
CC BY 4.0
Size
19.1 x 27.5 cm
Pages
59
Keywords
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Categories
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