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Austrian Law Journal
Austrian Law Journal, Volume 1/2021
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Page - 16 - in Austrian Law Journal, Volume 1/2021

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ALJ 2021 S.-F. Kraus 16 unschuldig irrt, mangels Rechts zur Anfechtung an seine Erklärung gebunden. Dadurch genießt der andere Beteiligte positiven Vertrauensschutz.98 D. Verschuldensunabhängiger negativer Vertrauensschutz außerhalb des ABGB Erweitert man außerdem das Blickfeld über das ABGB hinaus, fällt die vergabegesetzliche Haftung des Auftraggebers ins Auge. Für die Haftung des Auftraggebers verzichtete der Gesetzgeber im Zuge des BVergG-Nov 201299 – zugegebenermaßen zwar aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Implikationen, in concreto auf Grund des EuGH Urteils in der Rechtssache Strabag/Stadt Graz100 – auf die „schuldhafte Verletzung“ als Voraussetzung für den Ersatz der Kosten der Angebotsstellung und der Teilnahme am Vergabeverfahren (§ 337 Abs 1 BVergG aF, der sich seit dem BVergG 2018 in § 369 findet101). Die Voraussetzung der „schuldhaften Verletzung“ ersetzte der Gesetzgeber durch das Tatbestandsmerkmal des „hinreichend qualifizierte[n] Verstoß[es]“ und verwies für dessen Konkretisierung auf Judikatur des EuGH zur Staatshaftung.102 Abseits der Kritik an diesem Vorgehen103 kommt das Schrifttum zum Ergebnis, dass § 369 BVergG 2018 einen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch normiert.104 All das ist hier zu betonen, weil sich die Haftung des Auftraggebers für den Beteiligungskostenersatz (§ 369 Abs 1 BVergG 2018) damit erklären lässt, dass die Ausschreibung das Vertrauen erweckt, am Weg zum Vertragsabschluss, den der Auftraggeber in Aussicht stellt, nach den Bedingungen der Ausschreibung und den vergabegesetzlichen Vorgaben zu verfahren.105 Damit zeigt sich, dass ein verschuldensunabhängiges Einstehen gemäß § 46 ABGB heute zumindest nicht mehr als Unikum in der österreichischen Rechtsordnung eingestuft werden kann. 98 Vgl Vonkilch, Kennt das ABGB eine Haftung für die sorgfaltswidrige Abgabe einer wegen Willensmangels anfechtbaren Willenserklärung? JBl 2004, 759 (765); Machold, Vertragsverhandlungen 119. 99 BGBl I 10/2012. 100 EuGH 30.9.2010 C-314/09 Tz 45 (Strabag/Stadt Graz) wbl 2010, 579 (Feuchtmüller/M.-S. Kraus). S zur Begründung des EuGH betreffend die Verschuldensvoraussetzung auch Aicher/M.-S. Kraus, Schadenersatz ohne Verschulden bei Verstößen gegen Vergaberecht, ZVB 2011, 315 (317; Teil I), 358 (359; Teil II). 101 Die Passage der ErlRV (69 BlgNR 24. GP 224), dass bei „schuldhafter Verletzung des vorliegenden Gesetzes“ ein zu Unrecht übergangener Bieter einen Ersatzanspruch hat, dürfte darauf beruhen, dass ältere Gesetzesmaterialien zu den Vorgängerbestimmungen offensichtlich versehentlichen falsch zusammengeführt wurden. 102 ErlRV 1513 BlgNR 24. GP 138. 103 So wäre der Gesetzgeber nach Aicher (in Schramm ea, BVergG 2006² [Stand: 4. Lfg {2014}] § 337 Rz 38) „gut beraten gewesen, auf das Verschuldenserfordernis schlicht zu verzichten, ohne den zweifellos in das österr Schadenersatzrecht hineingetragenen Systembruch verschuldensunabhängiger ˏErfolgshaftungˊ durch das Tatbestandsmerkmal des hinreichend qualifizierten Verstoßes zu kaschieren.“ (wohl zust Madl, Anm zu 3 Ob 172/15p, RPA 2016, 135 [139]). Ähnlich auch Rihs/Steiner („Hinreichend qualifizierter Verstoß“ als neue materielle Voraussetzung für Schadenersatzansprüche, ZVB 2013, 138 [141; Teil I], 188 [Teil II]), die zudem sogar eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Tatbestandsmerkmals des „hinreichend qualifizierte[n] Verstoß[es]“ ins Spiel bringen (aaO 14s f). S auch I. Welser/Stoffl, Der hinreichend qualifizierte Verstoß im Vergaberecht, bau aktuell 2016, 59 (60). 104 Madl, Anmerkung zu OGH 3 Ob 172/15, RPA 2016, 135 (139); I. Welser/Stoffl, bau aktuell 2016, 59 (63; s allerdings auch aaO 60); Karner in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger, ABGB6 § 1293 Rz 12. IE wohl ebenso Rihs/Steiner, ZVB 2013, 138 (Teil I)], 188 (192 [Teil II]: „jeder Verstoß gegen vergaberechtliche Bestimmungen bereits hinreichend qualifiziert ist“) und Aicher in Schramm ea, BVergG 2006² (Stand: 4. Lfg [2014]) § 337 Rz 38: „jeder Verstoß gegen eine bewerber- u bieterschützende Vergaberechtsnorm“. Insofern unklar Fink in Schwartz, BVergG 2006² (2015) § 337 Rz 2 und demggü Rz 5. Vgl auch OGH 3 Ob 172/15p ÖJZ 2016, 609 (Brenn; Fuchs [= EvBl 88]) = ZRB 2016, 136 (Fössl) = RPA 2016, 135 (Madl); Feuchtmüller/M.- S. Kraus, Anmerkung zu EuGH 30. 9. 2010 C-314/09 (Strabag/Stadt Graz), wbl 2010, 579 (582). Offenlassend S. Ettmayer, Persönliche Haftung der Gemeindeorgane bei Vergabeverstößen, RFG 2014, 212 (215). 105 Dazu näher S.-F. Kraus, Negativer Vertrauensschutz (in Druck). Ähnlich bereits zur alten österreichischen Rechtslage, nämlich für eine Begründung der Haftung, die auf der Wirkung der Ankündigung der Ausschreibung aufbaut Heid, Vergabeverstoß: Ersatz des Erfüllungsinteresses! ecolex 1995, 93; ders, Vergabeverstoss und Schadenersatz, ecolex 1996, 7 f. Zum deutschen Recht eingehend Ackermann, ZHR 164 (2000) 394 (413 ff).
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Austrian Law Journal Volume 1/2021
Title
Austrian Law Journal
Volume
1/2021
Author
Karl-Franzens-Universität Graz
Editor
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Location
Graz
Date
2021
Language
German
License
CC BY 4.0
Size
19.1 x 27.5 cm
Pages
59
Keywords
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Categories
Zeitschriften Austrian Law Journal
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