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Austrian Law Journal, Volume 1/2021
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Page - 22 - in Austrian Law Journal, Volume 1/2021

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ALJ 2021 S.-F. Kraus 22 Die gewonnenen Erkenntnisse legen nahe, dass § 46 ABGB beim Abbruch der Vertragsverhandlungen Beachtung verdient. § 46 ABGB betrifft in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich nämlich einen Sachverhalt, dessen Nähe zum grundlosen Abbruch von Vertragsverhandlungen nicht leichtfertig von vornherein von der Hand gewiesen werden sollte.132 Die Nähe lässt sich daran festmachen, dass § 46 ABGB einen Sachverhalt regelt, in dem es für die Beteiligten auf Grund der natürlichen Gegebenheiten psychologisch kontraindiziert ist, auf eine vertragliche Absicherung von Dispositionen zu dringen, die das Erwecken von Vertrauen typischerweise veranlasst.133 Wenn die Beteiligten daher darauf verzichten, eine Regelung für den Fall zu treffen, dass „nicht alles gut geht“, dann greift ergänzend die Wertung des § 46 ABGB. Die Wertung des § 46 ABGB ist, dass das Vertrauen auf das unverbindliche Versprechen zum zukünftigen Abschluss eines Rechtsgeschäfts (= Ehe [s § 44 ABGB]) verschuldensunabhängig schutzwürdig ist.134 Folglich kennt das ABGB eine Regel für eine Situation, in der sich die Vertragsinteressenten verständlicherweise auf die Äußerungen eines Anderen betreffend den unverbindlich in Aussicht gestellten Abschluss eines Vertrags verlassen und daher davon absehen, ihre Dispositionen im Hinblick auf die geweckte Erwartung des künftigen Vertragsabschlusses für den Fall der Enttäuschung rechtsgeschäftlich abzusichern. Kennt das Verlöbnisrecht verschuldensunabhängigen Schutz der Verlobten, um ihnen eine Vorbereitung auf die Ehe im Gegenseitigen Vertrauen zu ermöglichen, sollte darauf aber nicht allein deshalb von vornherein beim Abbruch von Vertragsverhandlungen keine Rücksicht genommen werden, weil es sich um eine Wertung handelt, die auf familienrechtlichen Besonderheiten fußt. Vielmehr scheint es doch auch bei anderen Verträgen wünschenswert, dass vertrauensvoll bei ihrer Anbahnung kooperiert werden kann.135 Denn das Absichern geweckter Erwartungen durch das Insistieren auf verbindliche Zusagen ist nicht nur zeit- und kostenintensiv. Vielmehr suggeriert es gegenüber dem Verhandlungspartner Misstrauen und droht daher das Zustandekommen des eigentlich angestrebten Rechtsgeschäfts zu gefährden.136 Die damit angesprochene Frage, ob sich § 46 ABGB für die Begründung der Haftung bei Abbruch der Vertragsverhandlungen an sich nutzbar machen lässt, ist freilich von einer anderen Frage zu trennen. Sie ist von der Frage zu trennen, wann ein künftiger wegen Abbruchs der Vertragsverhandlungen (s auch dens, Die Dogmatik der Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, in FS Canaris [2017] 425 [439]). 132 Insofern übereinstimmend Machold (Vertragsverhandlungen 138 f), wenn sie Parallelen zwischen dem Verlöbnisbruch und dem Abbruch von Vertragsverhandlungen herausarbeitet. 133 Daran lässt sich auch eine Nähe zur Haftung des Auftraggebers gemäß § 369 BVergG 2018 festmachen. Denn bei der Auftragsvergabe kann man den übergangenen Bietern nicht vorwerfen, dass sie die Möglichkeit außer Acht gelassen haben, ihre „Investitionen“ privatautonom abzusichern, weil der Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Auftraggeber zumindest faktisch unmöglich ist (vgl dazu Singer in FS Canaris [2002] 135 [144]). 134 Das Heranziehen der Wertungen des § 46 ABGB für den Fall des Abbruchs der Vertragsverhandlungen wird mitunter abgelehnt, weil das Verlöbnis nach hL (statt vieler nur R. Welser/Kletečka, Grundriss des bürgerlichen Rechts I15 [2018] 501) ein (Vor-)Vertrag ist (Machold, Vertragsverhandlungen 139). Entscheidend ist – und hier liegt ein Ansatzpunkt für die Ähnlichkeit – doch aber, dass das Verlöbnis unabhängig von seiner rechtlichen Qualifikation keine (durchsetzbare) Pflicht zum Abschluss eines Rechtsgeschäfts (s § 44 ABGB) begründet (s die Nachweise in Fn 36). Denn es macht doch keinen Unterschied, ob keine (durchsetzbare) Rechtspflicht zum Vertragsabschluss vorliegt aber – angeblich – ein Vorvertrag oder keine (durchsetzbare) Rechtspflicht aber kein Vorvertrag; in keinem Fall besteht eine durchsetzbare Rechtspflicht zum Vertragsabschluss. Nichts desto trotz bedeutet der Rücktritt vom Verlöbnis aber – wie es beim Abbruch der Vertragsverhandlungen der Fall sein kann –, dass ein Vertragsabschluss unterbleibt, der in Aussicht gestellt wurde. 135 Vgl dazu die Rechtfertigung vorvertraglicher Pflichten bei R. Welser, Vertretung 75 ff; dens, Das Verschulden beim Vertragsschluß im österreichischen bürgerlichen Recht, ÖJZ 1973 281 (284). S aber auch krit dazu Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 Vor §§ 918 ff Rz 126. 136 Vgl Singer, Widersprüchliches Verhalten 286 ff; dens in FS Canaris (2002) 135 (143 f, 145 f, 155 f).
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Austrian Law Journal Volume 1/2021
Title
Austrian Law Journal
Volume
1/2021
Author
Karl-Franzens-Universität Graz
Editor
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Location
Graz
Date
2021
Language
German
License
CC BY 4.0
Size
19.1 x 27.5 cm
Pages
59
Keywords
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Categories
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