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ALJ 2021 Lindenbauer 56
keiner derartigen dinglichen Belastung betroffen sein. Vor diesem Hintergrund erscheint die
Ausnahme des Eigentumsvorbehaltes von der strengen pfandrechtlichen Publizitätspflicht
auch im Hinblick auf das potentielle Ziel des Schuldnerschutzes durchaus gerechtfertigt. Um
die Verhältnismäßigkeit der Nichtanerkennung ausländischer Mobiliarsicherheiten zu
gewährleisten, sind dem Eigentumsvorbehalt entsprechende ausländische Sicherungsrechte
jedoch wiederum anzuerkennen.
V. Zusammenfassung und Ausblick
Die in diesem Beitrag vorgenommene Untersuchung zeigt, dass das zentrale Argument
gegen die frühere Rspr nicht greift, weil im österreichischen Recht der Mobiliarsicherheiten
grundsätzlich keine Inkohärenzen iSd Rechtsprechung des EuGH zu erkennen sind. Daran
ändern auch diverse Ausnahmen vom grundsätzlich strengen Publizitätsprinzip – wie etwa
die Anerkennung des (publizitätslosen) Eigentumsvorbehaltes – nichts, weil für diese in Bezug
auf sämtliche der untersuchten Rechtfertigungsgründe eine sachliche Begründung besteht.
Dies gilt insbesondere auch für das mögliche Ziel des Gläubigerschutzes, wenn man
richtigerweise davon ausgeht, dass das pfandrechtliche Publizitätsprinzip gar nicht darauf
abzielen kann, dass alle im Besitz des Schuldners befindlichen Sachen tatsächlich auch dem
Haftungsfonds zuzuordnen sind. Hinzu kommt, dass das Nichtbestehen eines
Eigentumsvorbehaltes von Dritten leichter ĂĽberprĂĽft werden kann als dies bei sonstigen
Mobiliarsicherheiten ohne Publizität der Fall wäre. Sofern – wie in diesem Fall – sachliche
GrĂĽnde fĂĽr Ausnahmen von einer restriktiven nationalen Regelung vorliegen, so geht der
EuGH grundsätzlich nicht von einer Inkohärenz aus, welche einer Rechtfertigung
entgegenstehen wĂĽrde. Zu beachten gilt es in diesem Zusammenhang allerdings, dass
ausländische Sicherungsrechte, welche dem inländischen Eigentumsvorbehalt entsprechen,
grundsätzlich anerkannt werden müssen, um die Verhältnismäßigkeit zu wahren.
Die in der Literatur geäußerten Zweifel in Bezug auf die Kohärenz der österreichischen
Regelung sind also kein taugliches Argument, um die kĂĽrzlich vollzogene Judikaturwende
durch den OGH zu untermauern. Dies bedeutet allerdings ausdrĂĽcklich nicht, dass eine
Rückkehr zur früheren Rechtsprechung definitiv unionsrechtskonform wäre. Dagegen
sprechen könnten womöglich die vom EuGH entwickelten Grundsätze aus dem Bereich des
Gesellschafts- oder Namensrechtes. Nach der Judikatur des Gerichtshofes muss etwa ein
Mitgliedstaat die Rechtsfähigkeit achten, die eine zuziehende Gesellschaft nach dem Recht
ihres GrĂĽndungsstaates besitzt.217 Die Eintragung einer Zweigniederlassung darf vom
Aufnahmestaat selbst dann nicht verweigert werden, wenn die GrĂĽndung der Gesellschaft im
Ausland in der Absicht erfolgte, strengeren inländischen Vorschriften zu entgehen.218
Allerdings ist unklar, ob diese Rechtsprechung des EuGH ĂĽberhaupt auf die Frage der
Anerkennung von publizitätslosen Mobiliarsicherheiten übertragen werden kann. Ein
zentrales Argument gegen den vorgebrachten Rechtfertigungsgrund des Gläubigerschutzes
217 EuGH 5.11.2002, C-208/00, Ăśberseering, Rn 95. Vgl hierzu etwa Weller in MĂĽnchener Kommentar zum GmbHG3, Einleitung
Rn 356. Umfassend zu den Leitentscheidungen hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften s Kindler in
MĂĽnchener Kommentar zum BGB XIII8, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht Rn 112 ff (118 ff).
218 EuGH 30.9.2003, C-167/01, Inspire Art, Rn 137; EuGH 9.3.1999, C-212/97, Centros, Rn 39. Zu diesen Entscheidungen s etwa
v. Hein in MĂĽnchener Kommentar zum BGB XXII8, EGBGB Art 3 Rn 97 ff; Weller in MĂĽnchener Kommentar zum GmbHG3,
Einleitung Rn 351, 353 ff; Lurger/Melcher, Handbuch, Rz 7/27 f.
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Austrian Law Journal
Volume 1/2021
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 1/2021
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 59
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal