Page - 196 - in Austrian Law Journal, Volume 2/2015
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ISSN: 2409-6911
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Fundstelle: Geroldinger, Klauselbegriff und „blue pencil test“ in der AGB-Rechtsprechung, ALJ 2/2015,
196–211 (http://alj.uni-graz.at/index.php/alj/article/view/45).
Klauselbegriff und „blue pencil test“ in der
AGB-Rechtsprechung
Andreas Geroldinger*, Universität Linz
Kurztext: Ein Streifzug durch die Rechtsprechung österreichischer und deutscher Gerichte zur
AGB-Kontrolle belegt die Unsicherheit, die im Hinblick auf die Teilbarkeit von Absätzen und Sätzen
in einzelne Klauseln – mit anderen Worten: zum Klauselbegriff – herrscht. Klare Konturen sind
aber wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion mehr denn je erforderlich; sie fehlen
sowohl in der Klausel-RL als auch bislang in der Rsp des EuGH. Die im deutschsprachigen Raum
an Zuspruch gewinnende „blue pencil rule“, die (strikt verstanden) ausschließlich das Durch-
streichen von zur Unwirksamkeit fĂĽhrendem Vertragstext erlaubt und jede darĂĽber hinausge-
hende Umformulierung durch den Richter untersagt, taugt letztlich nicht zur Abgrenzung einzelner
Klauseln voneinander. Es kann sich dabei nur um ein Hilfsinstrumentarium mit Indizcharakter
handeln.
Schlagwörter: blue pencil rule; blue pencil test; geltungserhaltende Klauselabgrenzung; Klausel-
begriff; AGB-Kontrolle.
I. Einleitung
Ob missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen geltungserhaltend reduziert werden
dürfen, beschäftigt Wissenschaft und Praxis nun schon geraume Zeit.1 2012 hat der EuGH in
der Rs Banco Español de Crédito2 zumindest für den Anwendungsbereich der Klausel-RL3 einen
Schlussstrich unter diese Diskussion gezogen: Demnach darf das Gericht, wenn es die Miss-
bräuchlichkeit einer Klausel feststellt, den Vertrag nicht „durch Abänderung des Inhalts dieser
* Ass.-Prof. Dr. Andreas Geroldinger lehrt am Institut für Zivilrecht an der Johannes Kepler Universität Linz. Der
vorliegende Beitrag beruht auf einem Vortrag, den der Autor am 28. 1. 2015 in Linz gehalten hat. Das Manuskript
befindet sich am Stand März 2015, später erschienene Judikatur und Literatur ist nicht mehr berücksichtigt.
1 Siehe dazu (anstelle vieler) RIS-Justiz RS0128735; F. Bydlinski, Allgemeine Versorgungsbedingungen und Energie-
lieferungsverträge in Österreich, in FS Neumayer (1985) 115 (127); Fitz, Zur „geltungserhaltenden Reduktion“
überschießender AGB-Klauseln, in FS Schnorr (1988) 645 (645 ff); Iro, Teilwirksamkeit gröblich benachteiligender
AGB-Klauseln, RdW 1987, 7 (7); ferner die Nachweise bei Fidler, Unionsrechtliche Entwicklungen bei der richterli-
chen Vertragsergänzung, JBl 2014, 693 (693 ff); Geroldinger, Ergänzende Auslegung von Verbraucherverträgen
trotz Verbots der geltungserhaltenden Reduktion? Ă–BA 2013, 27 (28 ff); Iro in Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Bankver-
tragsrecht I2 (2007) Rz 1/37; Leupold/Ramharter, Die ergänzende Auslegung von Verbraucherverträgen im Lichte
des Europarechts, Ă–BA 2015, 16 (18 ff).
2 EuGH C-618/10, Banco Español de Crédito, JBl 2012, 434 (Lukas) = immolex 2012/92 (G. Graf) = EuZW 2012, 754 =
(Wendenburg) = ecolex 2012, 697 (Slonina) = JZ 2012, 961 (Hau) = Ă–BA 2013, 69 (Geroldinger 27); siehe auch EuGH
C-26/13, Kásler und Káslerné Rábai, ÖBA 2014, 956; EuGH 21. 1. 2015, verb Rs C-482/13, C-484/13, C-485/13,
C-487/13, Unicaja Banco.
3 RL 1993/13/EWG.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2015
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2015
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 100
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal