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Austrian Law Journal, Volume 2/2015
Page - 209 -
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Page - 209 - in Austrian Law Journal, Volume 2/2015

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ALJ 2/2015 Andreas Geroldinger 209 und Vorsatz bei Sachschäden.“ Wer für grobe Fahrlässigkeit nicht haftet, muss kraft Größen- schluss grundsätzlich auch nicht für leichte einstehen; es liegt ein vollständiger und damit unwirk- samer Haftungsausschluss vor. Allenfalls könnte diese Klausel intransparent sein. Mit dem „blue pencil test“ ließe sich dem aber abhelfen, womit ein (einseitiger) Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit herauskäme. Hätte der AGB-Verfasser hingegen die Formulierung „haftet weder für grobe Fahrlässigkeit noch Vorsatz“ gewählt, scheitern wohl alle Rettungsversuche auf Basis der „blue pencil rule“. Und schließlich muss man sich beim „blue pencil test“ die Frage stellen, ob nicht doch geringfügige orthografische bzw grammatische Unschärfen in Kauf genommen werden müssen – etwa beim eingangs gebrachten Beispiel: „Ansprüche aus Gewährleistung und die Haftung für Sachschäden bei leichter Fahrlässigkeit sind ausgeschlossen.“ In einer derart „zusammengestrichenen“ Klausel sind der Plural des Prädikats und die Kleinschreibung zu Satzbeginn eindeutig inkorrekt. Soll das aber der Wirksamkeit des Haftungsausschlusses entgegenstehen? Wohl niemand würde eine Vertragsregelung, die entsprechende Fehler von Anfang an enthält, als iSd § 869 ABGB unbe- stimmt, intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG oder dergleichen bewerten. C. Eignung zur Problemlösung? Wäre für die Abgrenzung einzelner Klauseln voneinander tatsächlich allein entscheidend, ob Vertragstext durchgestrichen werden kann und dabei ein grammatikalisch sowie inhaltlich nicht zu beanstandender Text bestehen bleibt, würde die Formulierung der Regelung ganz wesentlich über Sein und Nichtsein der inhaltlich unbedenklichen Teile entscheiden. Gegen gewisse Anreize, sich um eine sorgfältige Vertrags- und AGB-Gestaltung zu bemühen, – wie sie auch aus dem Transparenzgebot folgen – ist gewiss nichts einzuwenden.86 Bei striktem Verständnis lüde der „blue pencil test“ aber zur überbordenden, in Einzelaufzählungen zerfallenden AGB-Gestaltung ein.87 Im Hinblick auf den Präventionsgedanken, die nach Ansicht des EuGH zentrale Wertung für das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion88, macht es freilich keinen Unterschied, ob das verpönte Übermaß mit einer zulässigen Regelung sprachlich untrennbar verquickt oder in Form von Einzelaufzählungen in den Vertrag eingeführt wird. Die Ergebnisse des strikten „blue pencil test“ fordern daher zwangsläufig zur Kritik heraus.89 86 Vgl Schlosser in Staudinger, BGB (2013) § 306 Rz 20. 87 Siehe beispielsweise Schlosser in Staudinger, BGB (2013) § 306 Rz 20; Boundy, Business Contracts Handbook (2012) 125 („It is better to […] break the clause into more specific parts so that the court could delete (blue- pencil) just the void part and leave the rest standing.“); High Court (Chancery Division) 25. 2. 2011, Francotyp- Postalia Limited versus Whitehead, [2011] EWHC 367 (Ch): Die relevante Klausel statuierte ein Konkurrenzverbot innerhalb der „restricted area“, die in einer anderen Klausel definiert war. Auf diese Definition bezogen sich noch weitere Klauseln. Der Richter hielt die Konkurrenzklausel im Hinblick auf ihren territorialen Anwendungsbereich für überschießend, sah sich aber zu keiner Begrenzung durch Streichung einzelner geografischer Bezeichnungen in der Lage, weil die Definition der „restricted area“ in Verbindung mit anderen Klauseln unproblematisch sei. Die Konkurrenzklausel wurde daher zur Gänze gestrichten; dabei hielt der Richter ausdrücklich fest, dass das Ergebnis ein anderes sein könnte, wenn die relevante Region in jeder einzelnen Klausel (statt in einer) umschrieben gewe- sen wäre. 88 EuGH 14. 6. 2012, C-618/10, Banco Español de Crédito Rn 68 ff; zur Frage, ob dieser Gedanke auch gegenüber gutgläubigen AGB-Verwendern, die die Bestimmung nach sorgfältiger Prüfung für zulässig erachtet haben und erachten durften, verfängt, siehe Fidler, JBl 2014, 695 f; H. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht11 § 306 Rz 15, je mwN. 89 Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 878 Rz 15; aus dem deutschen Schrifttum H. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht11 § 306 Rz 12 ff; Thüsing in Graf von Westphalen (Hrsg), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke (2007) Arbeitsverträge Rz 119; Uffmann, Verbot 157 ff, je mwN.
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Austrian Law Journal Volume 2/2015
Title
Austrian Law Journal
Volume
2/2015
Author
Karl-Franzens-Universität Graz
Editor
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Location
Graz
Date
2015
Language
German
License
CC BY 4.0
Size
19.1 x 27.5 cm
Pages
100
Keywords
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Categories
Zeitschriften Austrian Law Journal
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