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ALJ 2/2015 Wolfgang Faber 217
forderungen beim Eigentumsvorbehalt im Gegensatz zu anderen dinglichen Sicherungsrechten
dogmatisch befriedigend rechtfertigen lässt. Sollte sich erweisen, dass dem nicht so ist, wird
weiter zu fragen sein, ob und inwieweit ein solcher dogmatischer Wertungsgleichklang hergestellt
werden kann. Dabei wird mit einer Perspektive de lege ferenda insb auf mögliche Registerlösungen
einzugehen und das Ziel im Auge zu behalten sein, den Eigentumsvorbehalt als praktisch funktio-
nierendes Sicherungsinstrument nach Möglichkeit zu erhalten (hierzu Abschnitt III.). Dabei soll
allerdings nicht der Eindruck erweckt werden, dogmatische Widerspruchsfreiheit in Publizitäts-
fragen und Praktikabilitätserwägungen seien nach Dafürhalten des Verfassers notgedrungen die
wichtigsten oder ĂĽberhaupt die einzigen Gesichtspunkte, die bei der Diskussion um eine sachge-
rechte Ausgestaltung des Eigentumsvorbehalts (und allenfalls äquivalenter Sicherungsinstrumente)
Beachtung verdienen. Dies ist bestimmt nicht der Fall; Prioritätsfragen bei Zusammentreffen mit
anderen Sicherungsrechten24 und eine allfällige stärkere Beschränkung des Eigentumsvorbehalts
auf seinen Sicherungszweck, was sich insb in der Frage zuspitzt, ob dem Vorbehaltsverkäufer ein
Aussonderungsrecht oder lediglich ein dingliches Recht auf vorrangige Befriedigung zustehen
soll25, seien als weitere Beispiele bloß erwähnt. Mit dem hier behandelten Publizitätsschwerpunkt
soll also lediglich ein Teilsegment von mehreren herausgegriffen werden. Auch das Publizitäts-
thema selbst wird nicht in all seinen Facetten ausgeleuchtet.26
II. Kritische WĂĽrdigung dogmatischer Rechtfertigungsversuche eines
publizitätslosen Eigentumsvorbehalts
A. Kein Entzug bereits vorhandenen Vermögens
Zugunsten der publizitätslosen Wirksamkeit des einfachen Eigentumsvorbehalts wird vorgebracht,
dass nicht bereits vorhandenes Vermögen dem Haftungsfonds entzogen, sondern nur eine neu
hinzukommende Sache nicht dem allgemeinen Zugriff ausgesetzt werde.27
1. Zutreffende Ausgangsthese: konstanter Haftungsfonds
Diese Begründung scheint zunächst dem relativ naheliegenden Einwand ausgesetzt, dass im Falle
ratenweiser Kaufpreiszahlung das Käufervermögen immerhin durch den laufenden Kaufgeldab-
fluss geschmälert wird, der Käufer hingegen erst mit vollständiger Tilgung der Kaufpreisschuld
Eigentümer werde und damit bis zu diesem Zeitpunkt sehr wohl eine Beeinträchtigung der Interes-
24 Zu dem in internationalen Vorbildern typischen Konzept einer „Superpriorität“ des Eigentumsvorbehalts bzw
äquivalenter Sicherungsrechte für Anschaffungsfinanzierungen kurz unten III.C.1. bei FN 113 zum DCFR und
Brinkmann, Kreditsicherheiten 410 ff zu Article 9 UCC.
25 Das zweitgenannte Konzept verwirklicht etwa Article 9 UCC; hierzu Brinkmann, Kreditsicherheiten 416 ff samt
Vergleich mit dem deutschen Recht. Eine Mittelstellung nehmen die neuen Regelungen des französischen (nach
einer Reform des Cc 2006) und des belgischen Rechts (Reform des Cc 2013) ein: Vergleichbar der klassischen
Konzeption des deutschen oder österreichischen Rechts erfolgt die Realisierung des Eigentumsvorhalts durch
RĂĽcknahme der Kaufsache; allerdings setzt die Geltendmachung keinen RĂĽcktritt vom Kaufvertrag voraus und
wird der Wert der wiedererlangten Sache auf die gesicherte Kaufpreisforderung angerechnet. Insoweit fungiert
das vorbehaltene Eigentum wie nach dem UCC-Konzept als bloĂźe Sicherheit fĂĽr die weiter bestehende Kauf-
preisforderung. Vgl hierzu W. Faber, Mobiliarsicherungsrecht IV.C.5.1. (zu Frankreich) bzw IV.D.1. (zum belgischen
Recht) mwN.
26 Insb wird hier das Publizitätsprinzip samt seinen immanenten Schwachpunkten – etwa was den Schutz künftiger
ungesicherter Gläubiger angeht – nicht grundsätzlich infrage gestellt.
27 Vgl zB Koziol – Welser/Kletečka, Grundriss I14 457 f (Rz 1317); F. Bydlinski in Klang2 IV/2, 463, der diesen Aspekt für
sich alleine allerdings für „verhältnismäßig schwach und formal“ erachtet; Koziol, QuHGZ 1970, 72.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2015
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2015
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 100
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal