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ALJ 2/2015 Die Rule of Law im Völker- und im Europarecht – aktuelle Probleme 262
Know-how unter Vermeidung von Verdoppelungen von Einrichtungen und Verfahren auszunützen.
Dieser Leitgedanke des Nutzbarmachens vorhandener Ressourcen und Expertise, zu denen natür-
lich auch die sogenannte Venedig-Kommission6 des Europarates oder die EU-Grundrechteagentur
in Wien zählen, spielt dann auch eine wesentliche Rolle bei dem schließlich bei der Sitzung des
Rates Allgemeine Angelegenheiten am 16. Dezember 2014 beschlossenen offenen politischen
Dialog unter den Mitgliedstaaten zur Förderung und Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit, der ein-
mal jährlich im Rahmen des Rates Allgemeine Angelegenheiten abgehalten werden soll. In den
neben dem EU-Organ Rat auch von den Mitgliedstaaten als Urheber mitgetragenen Schlussfolge-
rungen7, die gemeinsam mit einem vom Vorsitz zirkulierten Papier8 über die konzeptuellen
Grundlagen dieses Dialogs zu lesen sind, klingt auch die Möglichkeit der Abhaltung thematischer
Debatten an. Ferner betont der Rat die Grundsätze der Objektivität, Nichtdiskriminierung,
Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten sowie Unparteilichkeit und die Heranziehung objektiver
Daten als Grundlage seiner Erörterungen.
Gewiss, man hätte sich auch griffigere Maßnahmen erhoffen können, so insbesondere ausdrück-
liche Vorkehrungen für das Eingehen im Rat auf konkrete Situationen in den Mitgliedstaaten nach
dem Muster der erwähnten Kommissionsmitteilung. In einer Zeit notorischen Argwohns der
Mitgliedstaaten gegenüber einer Einmischung der EU in innere Angelegenheiten und der Anma-
ßung von Kompetenzen durch Brüssel durch sie ist mit dem jetzt Erreichten aber zumindest ein
erster Schritt getan worden. Die damit in der nächsten Zeit zu sammelnden Erfahrungen9 werden
Gegenstand einer 2016 stattfindenden Überprüfung sein, die auch zu einer Weiterentwicklung
dieses neuen Instrumentariums führen könnte. Ich persönlich bin jedenfalls zuversichtlich, dass
im Jahre 2014 mit den skizzierten Methoden der Kommission und des Rates letztlich eine deutliche
Stärkung der präventiven Komponente der Rechtsstaats- und Werteunion gelungen ist und dass
somit Art 7 EUV weiterhin getrost totes und ungenutztes Recht bleiben kann, ohne darin einen
Mangel in der Funktionsweise der EU sehen zu müssen.
B. Grundrechtsschutz
Die EU ist eine „Union der Grundrechte“. Sie besitzt mit der gemäß Art 6 EUV im Range des Primär-
rechts stehenden Grundrechtecharta (GRC) einen eigenen Grundrechtekatalog, der Bindungswir-
kung für alle Handlungen ihrer Organe und der Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Unions-
rechts entfaltet. Die genannte Bestimmung erklärt überdies die Grundrechte der Europäischen
Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie die den Mitgliedstaaten gemeinsamen Verfassungs-
überlieferungen zum Bestandteil des Unionsrechts in Form allgemeiner Rechtsgrundsätze. Die
Rechtsprechung des EuGH setzt ihre Tradition unermüdlich fort, die Grund- und Freiheitsrechte
der BürgerInnen und Unternehmen schrittweise weiter auszugestalten und ihre Einhaltung zu
gewährleisten. Die EU verfügt außerdem mit der Grundrechteagentur über eine eigene nationale
Menschenrechtseinrichtung.
6 „Europäische Kommission für Demokratie durch Recht.“
7 Rats-Dokument Nr 17014/14.
8 Rats-Dokument Nr 16862/14.
9 Zum ersten Mal soll der Dialog unter dem Ratsvorsitz Luxemburgs in der zweiten Jahreshälfte 2015 stattfinden.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2015
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2015
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 100
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal