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ALJ 2/2015 Geschworenengerichte – unbegründete Sorge? 276
das Ermittlungsverfahren gegen einen Beschuldigten, den die verfassungsmäßig (Art 90a B-VG)
mit Ermittlungs- und Anklagefunktionen betraute Staatsanwaltschaft außer Verfolgung gesetzt
hat, fortzusetzen ist, gesteht das Gesetz weder diesem noch der Anklagebehörde dagegen ein
Rechtsmittel zu.28 Ein Wildwuchs von nur im Wege des § 23 StPO überprüfbaren Entscheidungen
ist in der Praxis die geradezu notwendige Folge. Erfrischend ist in diesem Zusammenhang der
Ansatz von Sadoghi29, einen Antrag auf Aussetzung (appellatio in iudicio) zuzulassen. Setzen die
Berufsrichter die Entscheidung nicht aus, steht nach ihrem Vorschlag dagegen kein abgesondertes
Rechtsmittel zu, vielmehr wäre dieser Umstand in einer auf die Z 10a des § 345 Abs 1 StPO gestütz-
ten Nichtigkeitsbeschwerde geltend zu machen. Damit bleibt Sadoghi mE aber auf halbem Wege
stehen.
Von Laienrichtern kann eine reguläre Urteilsbegründung iSd § 270 Abs 2 Z 5 StPO nicht erwartet
werden, sodass auf Begründungsbehelfe (Begründung durch den Vorsitzenden oder mithilfe
einer Urkundsperson bzw durch unbeteiligte Dritte) zurückgegriffen werden müsste, die wie
Moos30 eindrucksvoll aufzeigt, schon wegen fehlender Authentizität unbrauchbar sind. Das gilt
nicht für die Berufsrichter, die die gesamte Hauptverhandlung miterlebt haben und demnach
den gleichen Informationsstand wie die Geschworenen besitzen. Von ihnen kann daher – wie
auch im geltenden Recht – verlangt werden, zu beurteilen, ob die Entscheidung der Geschworenen
in der Hauptsache aufgrund der Verfahrensergebnisse vertretbar oder irrig ist. Von ihnen kann
aber auch verlangt werden, dass sie ihre Entscheidung begründen. Dieser begründete Beschluss
kann durch ein Rechtsmittelgericht überprüft werden. Als solches bietet sich das OLG an, darüber
kann aber ebenso wie über den Prüfungsumfang (zu denken wäre jedenfalls an eine Überprü-
fung der intersubjektiven Überzeugungskraft) noch diskutiert werden.
Die Geschworenen würden dadurch sogar gestärkt, weil ihr Wahrspruch nicht wie bisher ohne
Angabe von Gründen vernichtet werden kann. Auch die von Burgstaller31 als Argument für die
Beibehaltung der Geschworenengerichte ins Treffen geführte besondere Qualität der Hauptver-
handlung könnte sogar noch verbessert werden, wenn die Berufsrichter am Ende, auf Antrag des
Angeklagten oder der Staatsanwaltschaft zu begründen haben, warum sie von ihrem Aussetzungs-
recht Gebrauch machen oder aber warum sie dazu keine Veranlassung finden. Ohne Eingriff in die
letztliche Entscheidungshoheit der Geschworenen und losgelöst von der Nichtigkeitsbeschwerde
wäre daher von den Verfahrensbeteiligten, wenn ihnen schon die Begründung der Geschworenen
verwehrt bleibt, doch zumindest eine Begründung der Berufsrichter erzwingbar, warum sie bei
gleicher Informationslage mit der Entscheidung der Geschworenen einverstanden sind.
Zusammen mit einer nicht nur partei- sondern auch volksöffentlichen Rechtsbelehrung wäre
damit doch einiges gewonnen. Freilich kann der Mangel nur gemildert, aber nicht behoben werden.
Eine weitergehende Sanierungsmöglichkeit besteht nämlich nicht. „Das Geschworenengericht
leidet“ – so Rittler32 – „an wesentlichen Mängeln, aber diese Mängel sind mit dem Wesen des
Geschworenengerichtes unzertrennlich verbunden.“ Die Alternative lautet: Sint ut sunt, aut non sint!
28 Siehe hiezu Mühlbacher, Inquisition mit einem Schuss Fehde? RZ 2009, 122 (123).
29 Sadoghi, Die Bekämpfung der Tatfrage im geschworenengerichtlichen Verfahren, JSt 2008, 78 (81).
30 Moos, JBl 2010, 82 f.
31 Burgstaller, JBl 2006, 71.
32 Rittler, Zur Frage der Geschworenengerichte, JBl 1947, 69 (70).
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Austrian Law Journal
Volume 2/2015
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2015
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 100
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal