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ALJ 2/2016 Waldemar Hummer 136
Damit wird einmal mehr die Aufmerksamkeit der europäischen Öffentlichkeit auf die grundle-
gende Fragestellung gelenkt, wie sich Kommissare nach der Beendigung ihrer Amtstätigkeit in
der Europäischen Kommission zu verhalten haben. Bedenkt man, dass ein Kommissar nicht nur
im unmittelbaren Bereich seines Portefeuilles, sondern darĂĽber hinaus auch innerhalb des Kolle-
giums der Kommission ganz außergewöhnliche Kenntnisse nicht nur über die administrativen
Vorgänge im Rahmen der EU, sondern vor allem auch über die Markt- und Wettbewerbssituation
europäischer Unternehmen erwirbt, erscheint eine Regelung mehr als angebracht, die ihn nach
seinem Ausscheiden aus der Kommission diesbezĂĽglich auch unter ganz spezielle Sorgfaltspflich-
ten stellt.
Im Vergleich zur mitgliedstaatlichen arbeitsrechtlichen Beschränkung aufgrund einer sog „Kon-
kurrenzklausel“, die einem ausgeschiedenen Arbeitnehmer ein (kurzfristiges) Beschäftigungsver-
bot in einem verwandten Unternehmen derselben Branche auferlegt, geht es bei einem ausge-
schiedenen Kommissar um eine ganz andere Dimension des Vertrauensschutzes, vor allem dann,
wenn sich dieser als „Konsulent“ einem Unternehmen zur Verfügung stellt, dessen einschlägige
Branche er während seiner aktiven Zeit als Kommissar zu überwachen und zu regulieren hatte.
Einen klassischen Fall der Weitergabe eines solchen „Insiderwissens“ eines Kommissars an ein
Privatunternehmen stellt die Anstellung des aus der Kommission ausgeschiedenen Kommissars
Martin Bangemann – in der er ua auch für den Telekommunikationssektor zuständig war – beim
spanischen Unternehmen Telefónica, dem größten europäischen Telekommunikationsunter-
nehmen, dar, worauf nachstehend noch einzugehen sein wird.2
II. Standespflichten von Kommissaren und Kommissarinnen
Zur Sicherung der vertraulichen Insiderkenntnisse von Kommissaren sieht Art 245 Abs 2 AEUV
dementsprechend vor, dass Kommissare „während ihrer Amtszeit keine andere entgeltliche oder
unentgeltliche Berufstätigkeit ausüben dürfen“ und bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit die „feierli-
che Verpflichtung“ übernehmen, „[…] während der Ausübung und nach Ablauf ihrer Amtstätigkeit
die sich aus ihrem Amt ergebenden Pflichten zu erfĂĽllen, insbesondere die Pflicht, bei der An-
nahme gewisser Tätigkeiten oder Vorteile nach Ablauf dieser Tätigkeit ehrenhaft und zurückhal-
tend zu sein.
Werden diese Pflichten verletzt, so kann der Gerichtshof auf Antrag des Rates, der mit einfacher
Mehrheit beschließt oder der Kommission das Mitglied je nach Lage des Falles gemäß Artikel 247
AEUV seines Amtes entheben oder ihm seine RuhegehaltsansprĂĽche oder andere an ihrer Stelle
gewährte Begünstigungen aberkennen.“
Zu diesen primärrechtlichen Vorgaben kommen aber auch noch weitere Verpflichtungen hinzu,
die sich aus den mehrfachen Verhaltenskodizes fĂĽr Mitglieder der Kommission ergeben. So
nahm die Kommission 2000 den „Kodex für gute Verwaltungspraxis in den Beziehungen der Be-
diensteten der Europäischen Kommission zur Öffentlichkeit“3 an, ergänzte diesen aber 2004
durch einen eigenen „Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder“4 und verschärfte zugleich ihre
Disziplinarordnung fĂĽr gravides Fehlverhalten von Mitgliedern der Kommission. Mitte April 2011
2 Siehe dazu nachstehend auf Seiten 139 f.
3 Anhang zum Beschluss der Kommission 2000/633/EG, EGKS, Euratom: Beschluss der Kommission vom 17. 10.
2000 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung, ABl L 2000/267, 64 ff.
4 Verhaltenskodex fĂĽr Kommissionsmitglieder, SEC(2004)1487/2.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2016
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2016
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 40
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal