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ALJ 2/2016 Waldemar Hummer 138
dafĂĽr in der Folge aber von der Kommission entsprechend sanktioniert worden zu sein. Ich hatte
bereits mehrfach Gelegenheit, mich mit dieser interessanten Frage auseinanderzusetzen und bin
erneut ĂĽberrascht, zur Kenntnis nehmen zu mĂĽssen, dass die Kommission in der nunmehr vom
Europäischen Bürgerbeauftragten (anonymisiert) aufgegriffenen Verfehlung eines Kommissars
einmal mehr nicht die entsprechenden Maßnahmen gesetzt und die Verhängung der notwendi-
gen Konsequenzen unterlassen hat. Durch diese Vorgangsweise der Kommission wird aber die
gegenwärtige Vertrauenskrise, in der sich die EU im allgemeinen und die Europäische Kommission
im speziellen ohnehin befindet,9 weiter verstärkt und die bestehenden Vorurteile gegen eine
abgehoben agierende „Brüsseler Hochbürokratie“ genährt.
Bevor aber auf die gegenständliche vom Europäischen Bürgerbeauftragten angestrengte Unter-
suchung der PrĂĽfungs- und Sanktionspflichten der Kommission gegenĂĽber einem ausgeschiede-
nen Kommissar eingegangen werden kann, muss zunächst ein Blick auf wichtige und exemplari-
sche Verletzungen der Sorgfaltspflichten durch einzelne Kommissare geworfen werden, da sich
nur daraus ein Gesamtbild ĂĽber die Schwere der Verletzung und der Reaktion der Kommission
darauf ergibt.
III. Ausgeprägte Fälle von Fehlverhalten von Kommissaren
Die Kommission hatte bereits mehrfach Gelegenheit, das Wohlverhalten von Kommissaren und
Kommissarinnen nach deren Ausscheiden zu prĂĽfen, wobei aber auf die einzelnen Ergebnisse
dieser PrĂĽfungen in diesem Zusammenhang aus PlatzgrĂĽnden nicht eingegangen werden kann.
Lediglich einige wenige markante „Problemfälle“ sollen nachstehend exemplarisch aufgelistet
werden
A. Der Fall Cresson
Edith Cresson war von 1995 bis 1999 Mitglied der „Santer-Kommission“ und in dieser zuständig für
die Ressorts Bildung, Wissenschaft und Forschung. Bereits zu Beginn ihrer Amtstätigkeit stellte
sie zwei Personen aus ihrem persönlichen Bekanntenkreis, nämlich René Berthelot und Timm
Riedinger, ein und begünstigte diese mehrfach. Diese Vorgänge wurden sowohl vom „Ausschuss
unabhängiger Sachverständiger“, als auch vom „Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung“
(OLAF) sowie vom „Untersuchungs- und Disziplinaramt der Kommission“ (IDOC) untersucht und
anschließend auch beanstandet. Unmittelbar nach der Übergabe des Berichts des „Ausschusses
unabhängiger Sachverständiger“10 Mitte März 1999 an die Präsidenten des Europäischen Parla-
ments und der Kommission – der neben kollektivem Versagen der Kommission im Verwaltungs-
vollzug auch Fälle individueller Verantwortlichkeit einzelner Kommissare auflistete – traten am
16. 3. 1999 alle Mitglieder der „Santer-Kommission“ geschlossen zurück,11 erklärten sich aber
9 Vgl dazu Hummer, Die Europäische Union – ein „Sanierungsfall“? in Halper/Kammel (Hrsg), Quergedacht. Perspek-
tiven zu Politik, Sicherheit und Europa. Werner Fasslabend zum 70. Geburtstag (2014) 367 ff.
10 Erster Bericht über Anschuldigungen betreffend Betrug, Mißmanagement und Nepotismus in der Europäischen
Kommission vom 15. 3. 1999 http://www.europarl.europa.eu/experts/report1_de.htm; Zweiter Bericht ĂĽber die
Reform der Kommission. Analyse der derzeitigen Praxis und Vorschläge zur Bekämpfung von Mißmanagement,
Unregelmäßigkeiten und Betrug vom 9. 9. 1999, http://www.europarl.europa.eu/experts/pdf/rep2-1de.pdf (beide
abgefragt am 20. 10. 2016).
11 Vgl Hummer/Obwexer, Der „geschlossene“ Rücktritt der Europäischen Kommission. Von der Nichtentlastung für
die HaushaltsfĂĽhrung zur Neuernennung der Kommission, integration 1999, 77.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2016
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2016
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 40
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal