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ALJ 2/2016 Waldemar Hummer 140
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in Anwendung von Art 213 Abs 2 EGV mit dem Fall Bange-
mann „zu befassen“. Dieses erstmals gegen einen Kommissar eingeleitete Verfahren vor dem
EuGH20 wurde aber am 3. 2. 2000 aus dem Register des EuGH wieder gestrichen.
C. Der Fall Dalli
Am 16. 10. 2012 bestellte Kommissionspräsident Barroso das für Gesundheit und Konsumenten-
schutz zuständige Mitglied der Europäischen Kommission, John Dalli, zu sich, konfrontierte ihn
mit den seitens OLAF gegen ihn erhobenen BestechungsvorwĂĽrfen und forderte ihn zum RĂĽck-
tritt auf. Dabei ging es um die Aufhebung des Handelsverbots von „Snus“, einem schwedischen
Kau- bzw Lutschtabak, wofür Dalli angeblich 10 Mio € in Aussicht gestellt worden seien. Treiben-
de Kraft hinter diesem vermeintlichen Bestechungsversuch war der maltesische Geschäftsmann
Silvio Zammit, der dem schwedischen Tabakkonzern Swedish Match angeboten haben soll, fĂĽr
einen Betrag von 60 Mio € eine Aufhebung des EU-weiten Handelsverbots für „Snus“ zu errei-
chen. Swedish Match ging auf diesen Handel aber nicht ein, sondern teilte OLAF im Mai 2012
diesen Umstand mit. Im darauffolgend erstellten Untersuchungsbericht von OLAF wurde diesbe-
zĂĽglich festgehalten, dass Kommissar Dalli zwar nicht direkt in die Machenschaften Zammits in-
volviert gewesen sei, aber eindeutig davon gewusst und nichts dagegen unternommen habe.
Diese Untätigkeit stellte nach Ansicht von OLAF eine eindeutige Verletzung des Verhaltenskodex
fĂĽr EU-Kommissare dar.
In der Folge klagte Dalli vor dem Gericht der EU (EuG) auf Nichtigerklärung des mündlichen Ver-
langens von Kommissionspräsident Barroso, sein Amt niederzulegen, was dieses aber mit Urteil
vom 12. 5. 201521 als unzulässig zurückwies, da Dalli sein Amt offensichtlich freiwillig zurückgelegt
habe, ohne dass er dazu von Präsident Barroso gem Art 17 Abs 6 EUV förmlich dazu aufgefordert
worden wäre. Im Übrigen könne die bloße Andeutung der Möglichkeit durch José Barroso, von
einer ihm als Präsident der Kommission vorbehaltenen Befugnis Gebrauch zu machen, dem tat-
sächlichen Gebrauch dieser Befugnis nicht gleichgestellt werden. Dalli legte gegen dieses Urteil
des EuG beim Gerichtshof (EuGH) ein Rechtsmittel ein,22 das aber vom EuGH mit Beschluss vom
14. 4. 201623 zurückgewiesen und damit das Urteil des EuG bestätigt wurde.
D. Der Fall Barroso
José Manuel Barroso war von 2004 bis 2014 Präsident der Europäischen Kommission und wechsel-
te 20 Monate nach seinem Ausscheiden, ohne dies allerdings der Kommission mitzuteilen, als
„non-executive Chairman“ in die Londoner Tochtergesellschaft Goldman Sachs International und
als Konsulent in den amerikanischen Mutterkonzern dieses Unternehmens. Goldman Sachs be-
gründete die Anstellung Barrosos mit dem Hinweis auf dessen enorme Erfahrung und das „tiefe
Verständnis von Europa“, das dieser mitbringe. Barroso wiederum versicherte, „dass er alles tun
werde, um die negativen Auswirkungen des Brexit auf Goldman Sachs zu verringern“.24
20 EuGH 3. 2. 2000, C-290/99, Rat/Bangemann.
21 EuG 12. 5. 2015, T-562/12, John Dalli/Kommission.
22 EuGH 14. 4. 2016, C-394/15 P, John Dalli/Kommission.
23 EuGH, Pressemitteilung 2016/40, vom 14. 4. 2016.
24 Theurer, José Manuel Barroso. Kritik am Wechsel zu Goldman Sachs, SpiegelOnline vom 10. 7. 2016.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2016
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2016
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 40
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal