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ALJ 2/2016 Kontrolle der Europäischen Kommission gegenüber ihren Mitgliedern 141
Die Reaktionen auf diesen beruflichen Wechsel Barrosos fielen ĂĽberraschend heftig aus: so fan-
den französische Mitglieder des Europäischen Parlaments diesen „skandalös“ und der französi-
sche Außenhandelsstaatssekretär, Matthias Fekl, bezeichnete Barroso als einen „unanständigen
Vertreter eines alten Europas“. Europastaatssekretär Harlem Désir wiederum bedauerte es, dass
Barroso damit den „Anti-Europäern“ den Weg bereite. Er rief Barroso deswegen „feierlich auf, auf
diesen Posten zu verzichten“. Brüsseler Gewerkschafter forderten in diesem Zusammenhang,
Barroso das monatliche Übergangsgeld von 15.000 € zu streichen.25
Formal kann Barroso an sich kein Vorwurf gemacht werden. Da er das Angebot von Goldman
Sachs erst 20 Monate nach seinem Ausscheiden aus der Kommission angenommen hatte, fiel er
auch nicht unter die gem § 1.2. des Verhaltenskodex vorgesehene „Wartefrist“ von 18 Monaten
für die Beilegung eines eventuellen „Interessenskonflikts“26 und musste dementsprechend weder
eine Meldung an die Kommission erstatten, noch eine Genehmigung derselben fĂĽr seine neue
Tätigkeit einholen. Das deutsche Mitglied der Grünen im Europäischen Parlament, Sven Giegold,
kritisierte dieses bewusste „Aussitzen“ der Wartefrist scharf und forderte längere Karenzzeiten
fĂĽr Kommissare.27
Im Ăśbrigen ist Goldman Sachs bereits mehrfach Dienstgeber fĂĽr ausgeschiedene Kommissare
gewesen. So war Kommissar Mario Monti nach seinem Ausscheiden von 2004 bis 2011 bei Gold-
man Sachs tätig, ebenso wie auch Peter Sutherland bis 2015. Auch der jetzige Chef der EZB, Mario
Draghi, war von 2002 bis 2005 in führender Position in diesem Unternehmen in London tätig und
geriet in diesem Zusammenhang sogar unter Verdacht, am „window dressing“ Griechenlands
mitgewirkt und dessen Wirtschaftsdaten „geschönt“ zu haben, die es diesem Land dann ermög-
lichten, 2001 den Euro zu übernehmen.28 Draghi bestritt aber stets, in diese Affäre verwickelt
gewesen zu sein.
E. Der Fall Kroes
Da es in der ehemaligen britischen Kronkolonie der Bahamas weder eine Kapitalertrags- noch
eine Vermögenssteuer, dafür aber ein strenges Bankgeheimnis, gibt, entwickelten sich die Baha-
mas zu einer der weltweit beliebtesten Steueroasen. Mitte September 2016 ereigneten sich die
Bahamas-Leaks, im Zuge derer Details ĂĽber 175.888 Briefkastenfirmen und Stiftungen, die zwi-
schen 1990 und 2016 auf den Bahamas gegrĂĽndet wurden, bekannt wurden.
Auch die ehemalige Kommissarin Neelie Kroes gehörte dem Vorstand einer solchen Briefkasten-
firma, nämlich der Mint Holdings Limited, an, die im Unternehmensregister unter der Nummer
108529B registriert ist. Kroes war dort vom 4. 7. 2000 bis zum 1. 10. 2009 als Direktorin ver-
merkt.29 Kroes, die in der Europäischen Kommission von 2004 bis 2009 als Kommissarin für Wett-
bewerb und danach von 2010 bis 2014 als Kommissarin für die Digitale Agenda zuständig war,
hatte diese Geschäftstätigkeit in ihrer „declaration of interests“ nicht angegeben gehabt. Damit
25 Schlamp, Goldman Sachs’ Verflechtungen mit der Politik: Alles zum Wohl des Geldes, SpiegelOnline vom 13. 7.
2016.
26 Vgl dazu vorstehend auf Seite 137.
27 Theurer, José Manuel Barroso. Kritik am Wechsel zu Goldman Sachs, SpiegelOnline vom 10. 7. 2016.
28 Vgl dazu Hummer, Von der amerikanischen „Subprime-Crisis“ (2007) zum permanenten „Europäischen Stabili-
tätsmechanismus“ (2013 ff), in Hummer (Hrsg), Die Finanzkrise aus internationaler und österreichischer Sicht
(2011) 260.
29 Brössler/Obermaier, Eisernes Schweigen, Süddeutsche Zeitung vom 22. 9. 2016, 7.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2016
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2016
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 40
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal