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ALJ 2/2016 Waldemar Hummer 142
verstieß ausgerechnet die oberste Wettbewerbshüterin, die wegen ihrer Strenge im Kampf gegen
Kartelle, Fusionen und Subventionen gefürchtet war, gegen Art 245 Abs 2 AEUV und den „Verhal-
tenskodex für Kommissare“. Kroes‘ Anwalt sprach in diesem Zusammenhang von einem „Verse-
hen“ und erklärte, dass die Firma Mint Holdings Limited für ein geplantes Milliardengeschäft mit
dem US-Energiekonzern Enron gegründet wurde, ein Deal, der allerdings nicht zustande gekom-
men sei, da die Verhandlungen im Jahr 2000 abgebrochen wurden. Demgemäß sei die Firma
auch nicht operativ tätig geworden.30
Kroes erklärte, für ihr Verhalten „die volle Verantwortung“ zu übernehmen und Kommissionsprä-
sident Juncker dementsprechend auch zu informieren. Da die Briefkastenfirma aber für ein Ge-
schäft im Energiesektor gegründet wurde, für den Kroes als Wettbewerbskommissarin zeitgleich
zuständig war, ist zugleich auch die „Ethikkommission“ einzuschalten. Auch dem Ausgang dieses
Verfahrens kann mit Interesse entgegengesehen werden.
IV. Die eigenständige Untersuchung des Europäischen Bürgerbeauf-
tragten über die Reaktion der Kommission auf das Verhalten
eines Kommissars
Am 6. 5. 2013 wurde der Europäische Bürgerbeauftragte durch eine anonyme Mitteilung davon
verständigt, dass ein ausgeschiedenes Mitglied der Kommission eine remunerierte Tätigkeit auf-
genommen habe, ohne die „Barroso-Kommission“ davon in Kenntnis gesetzt zu haben. Darüber
hinaus enthielt der ebenfalls mitübersendete Dienstvertrag, der mit Februar 2010 datiert war
und eine Laufzeit von vier Jahren aufwies, keine wie immer gearteten Absicherungen hinsichtlich
der „Wohlverhaltenspflichten“ des Kommissars. Der Bürgerbeauftragte verständigte daher am 4. 7.
2013 die Kommission von diesem Vorgang und ersuchte diese, ihm über die von ihr diesbezüg-
lich ergriffenen Aktivitäten zu berichten. Die Kommission informierte in der Folge den Bürgerbe-
auftragten darüber, dass der Kommissar diesen Dienstvertrag der Kommission nicht angezeigt
habe und dass sie diesen daher umgehend aufgefordert habe, dazu Stellung zu nehmen. Parallel
dazu ersuchte die Kommission die „Ethikkommission“ um eine Stellungnahme. Nach genauer
Prüfung des Dienstvertrages kam die „Ethikkommission“ in ihrem Schlussbericht vom 1. 10. 2013
zu dem Schluss, dass dieser keine ausreichenden Vorkehrungen für die Einhaltung der in Art 245
AEUV geforderten „Wohlverhaltenspflichten“ enthalte. In der Folge konfrontierte die Kommission
den betreffenden Kommissar mit diesem Vorwurf und forderte ihn zu einer entsprechenden
Stellungnahme dazu auf. In seiner Entgegnung wies der Kommissar darauf hin, dass der Dienst-
vertrag zum einen ohnehin bereits im Februar 201231 beendet worden sei und zum anderen sehr
wohl die Möglichkeit vorgesehen habe, mit den „Wohlverhaltenspflichten“ inkompatible berufli-
che Tätigkeiten zurückzuweisen. Nachdem diese Ansicht auch vom Dienstgeber des früheren
Kommissars bestätigt wurde, fasste die „Barroso-Kommission“ „rückwirkend“ den Beschluss, dass
der Kommissar sie zwar vorab davon hätte verständigen müssen, der Dienstvertrag aber trotz-
dem als mit den Pflichten aus Art 245 Abs 2 AEUV für vereinbar angesehen werden könne. Darüber
hinaus sei der zeitliche Geltungsbereich des Dienstvertrages auch schon abgelaufen.
30 Obermaier/Obermayer/Wormer, Bahamas – Geldversteck der Millionäre, Süddeutsche Zeitung vom 22. 9. 2016, 1.
31 Nach einer Richtigstellung durch die „Ethikkommission“ korrigierte der Kommissar den Zeitpunkt der Beendi-
gung des Dienstvertrages auf 27. 2. 2013.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2016
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2016
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 40
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal