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ALJ 2/2016 Waldemar Hummer 144
Unter diesen Umständen konnte die Kommission den Kommissar nur ex post auffordern, ihr die
entsprechenden Informationen zukommen zu lassen, um anschlieĂźend ĂĽber den Inhalt des
Dienstvertrages zu urteilen, was sie in der Folge auch tat und diesen in allen seinen Teilen fĂĽr
unbedenklich fand. Damit hat die „Barroso-Kommission“ ihren Befund vier Jahre nach dem Ab-
schluss des Dienstvertrages und ein Jahr nach Beendigung desselben auf einer „retrospektiven“
Basis abgegeben und sich dabei in einer „very unsatisfactory situation“34 befunden. Vor allem hat
sie dabei nicht die Bedenken der „Ethikkommission“ berücksichtigt, die zwar für die Kommission
rechtlich nicht bindend, politisch aber sehr wohl zu beachten waren.
Dementsprechend kam der Europäische Bürgerbeauftragte nach Abschluss seiner detaillierten
Untersuchung in seinem Schlussbericht vom 30. 6. 2016 zu folgenden Schlussfolgerungen:
1. „The Ombudsman finds that the Barroso Commission failed adequately to deal with the
former Commissioner’s breach of paragraph 1.1.1 of the 2004 Code of Conduct for Commis-
sioners.35 This constituted maladministration by the Commission.
2. The Ombudsman finds that the Barroso Commission’s decision, regarding the compatibility
of the former Commissioner’s contract with Article 245 TFEU, was not based on an adequate
investigation of the facts and thus amounted to maladministration“.36
Zugleich richtete der „Ombudsman“ aber auch eine Reihe von Empfehlungen an die Kommission,
wie diese zukünftig solche Vorkommnisse vermeiden könnte. Zum einen muss sie auf die Schwere
der Verfehlung einer Nichtbekanntgabe der Annahme einer beruflichen Aktivität durch einen
Kommissar hinweisen und damit auch den UnionsbĂĽrgern zu verstehen geben, dass sie gewillt
ist, alle MaĂźnahmen zur Sicherung der Voraussetzungen des Art 245 AEUV sowie des Verhaltens-
kodex fĂĽr Mitglieder der Kommission zu ergreifen. Des Weiteren empfiehlt der BĂĽrgerbeauftragte
der Kommission, den Verhaltenskodex für Mitglieder der Kommission inhaltlich näher zu präzisie-
ren und mit weiteren Sanktionen zu versehen, vor allem aber die Umstände genauer zu benen-
nen, die die Kommission berechtigen, einzelne Sanktionen sowohl gegen aktive als auch gegen
bereits ausgeschiedene Kommissare zu verhängen.
V. Schlussbetrachtungen
Es lässt aufhorchen, wenn der Europäische Bürgerbeauftragte einmal aus eigener Initiative eine
Untersuchung über eventuelle „Missstände“ in der Kommission durchführt, noch dazu, wenn es
sich dabei um die politisch mehr als heikle Frage der Beschäftigung ausgeschiedener Kommissare
handelt, die ja in diesem Zusammenhang unter der Verpflichtung stehen, „ehrenhaft“ und „zu-
rückhaltend“ vorgehen zu müssen. Handelt es sich bei diesen Vorgaben aus Art 245 AEUV aber
bloß um semantische „Leerformeln“, die über keinen präzisen materiellen Gehalt verfügen,37
oder ist damit der Handlungsrahmen ausreichend umschrieben, der es der Kommission ermög-
licht, ein eventuelles Fehlverhalten von Kommissaren zweifelsfrei zu erkennen und unter Um-
ständen vor dem Gerichtshof gem Art 245 Abs 2 iVm Art 247 AEUV einklagen zu können? Genau
um diese Fragestellung ging es bisher in einer Reihe von konkreten Anlassfällen, in denen die
Kommission aber nicht mit dem entsprechenden Nachdruck auf einer Klärung derselben be-
34 OI/2/2014/PD, Pkt 16 (FN 1).
35 Der Paragraph 1.1.1 des alten Verhaltenskodex für Kommissare (2004) entspricht jetzt § 1.2. des nunmehrigen
Verhaltenskodex (2011), der vorstehend auf Seite 137 zitiert wurde.
36 OI/2/2014/PD, Conclusion (FN 1).
37 Wie dies zB Edith Cresson behauptete. Siehe dazu vorstehend auf Seite 139.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2016
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2016
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 40
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal