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ALJ 2/2017 Thomas Kröll 76
II. Von Georg Beseler ins 21. Jahrhundert …
Als Georg Beseler,45 selbst Professor der Rechte in Greifswald, am 6. 6. 1848 im Verfassungsaus-
schuss der Deutschen Verfassungsgebenden Nationalversammlung in Frankfurt am Main den
Satz „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei“ formulierte,46 der in Folge erstmals Gesetz werden
sollte, konnte er wohl kaum erahnen, welche gesellschaftlichen und technologischen Entwicklun-
gen noch im 19., im 20. und im frühen 21. Jahrhundert stattfinden sollten und wie sich – in Anbe-
tracht der sich stets beschleunigenden Technisierung und Digitalisierung des täglichen Lebens
eines jeden Einzelnen – im Frühjahr 2017 die Rahmenbedingungen für den akademischen For-
scher gestalten würden. Die sich nunmehr bietenden Möglichkeiten digitaler Präsenz und digita-
ler Informationsbeschaffung hätten Beseler sicherlich begeistert. Er fand zwar in Greifswald, einer
kleinen Universitätsstadt am Rande des Geschehens ohne große Ablenkungsmöglichkeiten, ein
ideales Arbeitsklima vor.47 Der Zustand der Universität im Allgemeinen und seine Arbeitsbedin-
gungen im Besonderen mussten aber alles andere als ideal gewesen sein, ließ er doch kurz nach
seiner Ankunft in Greifswald seinen Jugendfreund Gervinus wissen, „[die] Universität [sei] ein rotten
borough der allerärgsten Sorte“.48 In kluger Voraussicht hatte er sich zusichern lassen, die Biblio-
thek der Berliner Universität nutzen zu dürfen;49 in den Ferien nutzte er zudem gelegentlich jene
der Universität Göttingen50 – damals nicht gerade ein Katzensprung. Einem gesetzlichen Gebot
zur Evaluierung der Aufgaben und Leistungen der öffentlichen Universität, insb der Leistungen
der Angehörigen des wissenschaftlichen Universitätspersonals in Forschung und Lehre, unter
Nutzung der sich nunmehr bietenden technischen Möglichkeiten, wäre Beseler – gerade nach der
Befreiung von staatlicher Bevormundung – wohl skeptisch gegenübergestanden.
III. … zum digital informierten Forscher
Die stete Zunahme digitalisierter Informationen und ihre leichtere Auffindbarkeit und Zugäng-
lichkeit sind ein unbestreitbarer Vorteil der Digitalisierung. Der akademische Forscher ist heute
zunehmend digital informiert.
Im Falle des Rechtswissenschaftlers betrifft dies zunächst seinen Erkenntnisgegenstand – das
positive österreichische Recht und das Recht der Europäischen Union.
Seit Juni 1997 informiert das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) in seiner Gestalt als
vom Bundeskanzleramt betriebene, für jedermann zugängliche, kostenfrei abrufbare Internet-
applikation über das österreichische Recht.51 Seine Anfänge reichen bis in das Jahr 1981 zurück.
Angesichts der stetig wachsenden Zahl an Rechtsvorschriften sollte ein elektronisches System
eingerichtet werden, um die Suche nach dem Recht, insb nach seiner geltenden Fassung, zu ver-
einfachen und zu beschleunigen. Damit sollte die Zeit, in der allein das Auffinden der geltenden
45 Kern, Beseler, Georg (1809–1888), in Cordes/Lück/Werkmüller (Hrsg), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsge-
schichte I (2008) 546. Siehe eingehend Kern, Georg Beseler – Leben und Werk (1982).
46 Siehe die Beratungen im Verfassungsausschuss der Deutschen Verfassungsgebenden Nationalversammlung:
„[Beseler] schlägt vor: ‚Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.‘“ Beseler in Droysen 19.
47 Kern, Germanisten versus Romanisten: Georg Beseler (1809–1888), in Lege (Hrsg), Greifswald – Spiegel der deut-
schen Rechtswissenschaft 1815 bis 1945 (2009) 113 (120).
48 Kern, Leben 68 FN 12.
49 Kern, Leben 68.
50 Kern, Leben 500.
51 Siehe http://www.ris.bka.gv.at/default.aspx (abgefragt am 4. 5. 2017).
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Austrian Law Journal
Volume 2/2017
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2017
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 108
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal