Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Zeitschriften
Austrian Law Journal
Austrian Law Journal, Volume 2/2018
Page - 70 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 70 - in Austrian Law Journal, Volume 2/2018

Image of the Page - 70 -

Image of the Page - 70 - in Austrian Law Journal, Volume 2/2018

Text of the Page - 70 -

ALJ 2018 Das „Geburtshaus Hitlers“ in Braunau am Inn 70 Während ein Großteil der Lehre mit der Entziehung den Vorgang der Enteignung bereits als voll- endet erachtet, setzt der VfGH zusätzlich zur Enteignung noch die Übertragung auf den Staat voraus, um einen Vorgang als Enteignung zu qualifizieren.15 Auch das ist hier unbestreitbar der Fall. Versteht man die sogenannte Übertragungstheorie im Zusammenhang mit der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit, verliert die Unterscheidung ohnehin an Relevanz. So ist es auch ver- ständlich, weshalb vom VfGH an der Übertragung für die Qualifikation als Enteignung immer noch festgehalten wird, anstatt – wie in der Literatur zumeist gefordert – diese zu vernachlässi- gen.16 Außerdem ist auch bei einer schlichten Entziehung des Eigentums (und bspw einer an- schließenden Vernichtung) der grundrechtliche Eigentumsschutz nicht unanwendbar. Auch in diesem Fall ist die Benachteiligung bzw Beschneidung von Individualinteressen mit dem öffentli- chen Interesse abzuwägen.17 Der VfGH hat in seiner früheren Rechtsprechung nicht selbst überprüft, ob die Enteignung im öffentlichen Interesse ist. Seit dem Wandel der Rechtsprechung 1949 verhält sich dies aller- dings anders und das öffentliche Interesse ist stets immanenter Prüfungsbestandteil.18 Eben diese Weiterentwicklung in der Judikatur des VfGH ist auch für diesen Beitrag wichtig. In der 1. Republik hielt der VfGH die Beurteilung des „allgemeinen Besten“ für eine Entscheidung des Gesetzgebers, die juristisch nicht überprüfbar sei.19 Obwohl sich die Rechtsprechung gewan- delt hat, zeigt gerade der hier behandelte Fall, dass die Feststellung des öffentlichen Interesses nach wie vor schwierig ist. Bezüglich der Entziehung (und Übertragung) des Eigentums ist der gegenständliche Fall allerdings ein Lehrbuchbeispiel der Enteignung, welcher in Hinblick auf die Entziehung des Objektes mit klassischen Fällen der Enteignung für den Eisenbahnbau (EisbEG 1878) vergleichbar ist.20 15 Siehe dazu statt vieler Korinek, § 6 Wirtschaftliche Freiheiten, in Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer (Hrsg), Grund- rechte in Deutschland und Europa VII/1: Grundrechte in Österreich2 (2014) 633 (644 mwN). 16 Vgl dazu Bezemek, Zum Begriff der Enteignung, in FS Holzinger (2017) 169 (179 mwN). 17 Letztlich kann auch bei einer Vernichtung – zumindest juristisch fingiert – an eine Übertragung gedacht werden. Denn zur Vernichtung muss das Eigentum zumindest kurzzeitig übergegangen sein. Vernichtet wird ja nicht durch den Enteigneten. Dementsprechend ist diese Kontroverse zwischen Rechtsprechung und Literatur heute wohl eher eine vermeintliche, zumindest eine theoretische. Vgl dazu auch Korinek in Korinek/Holoubek, B-VG Art 5 StGG Rz 29, der ebenso schreibt: „obwohl in aller Regel der Entzug des Rechts mit einer Übertragung des Rechts ver- bunden ist.“ Und mwN in FN 130 dazu gibt. Vgl diesbezüglich auch den Hinweis von Korinek in Korinek/Holoubek, B-VG Art 5 StGG Rz 29, FN 131 auf Depenheuer, in v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg), Das Bonner Grundgesetz 14 (1999) Art 14 Rz 435–436: „Enteignungen sind unzulässig zugunsten von Privatinteressen, nicht zugunsten Privater“. Siehe auch Wiederin in FS Rill 278, welcher darauf hinweist, dass es zwar prima facie dem Eigentümer egal sein kann, ob eine Sache zerstört oder weggenommen wird, aber eben nicht dem Staat, denn: „Wenn der Staat etwas zerstört, dann hat er dafür zum einen regelmäßig einen Grund, mag es sich um die Keulung von Rindern oder um die Zerstörung von Reblauskulturen handeln.“ Dieses unterschiedliche Interesse des Staates wirke nun mittelbar auf das Schutzbedürfnis des Eigentümers zurück. 18 Vgl dazu Korinek in Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer 644 f, welcher auf frühe Rechtsprechung des VfGH (VfSlg 550/1926; 1123/1928) hinweist, die ohne Prüfung des öffentlichen Interesses auskam. Seit VfSlg 1809/1949; 1853/1949 muss die Enteignung allerdings im öffentlichen Interesse sein. Dies zeigt, dass die Bestimmung des allgemeinen Besten, des öffentlichen Interesses, durchaus schwierig ist. Vgl auch Wiederin in FS Rill 276: „Dieses Modell des Eigentumsschutzes gilt uns heute als Fossil, als Relikt aus dem grundrechtlichen Tertiär.“ 19 Vgl dazu auch Berka, Die Grundrechte: Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich (1999) 410 f. 20 BGBl 1954/71. Dieses wird auch in § 3 Abs 2 des Bundesgesetzes über Enteignung für die Regelungen zur Fest- setzung der Entschädigung und deren Leistung zur sinngemäßen Anwendung herangezogen. Vgl dazu Pauger, Die Enteignung im Verwaltungsrecht, in Korinek/Pauger/Rummel (Hrsg), Handbuch des Enteignungsrechts (1994) 49 (54 f). Weitere bekannte Beispiele wären das Verstaatlichungsgesetz BGBl 1946/168 idgF sowie das Verstaatli- chungsgesetz BGBl 1947/81.
back to the  book Austrian Law Journal, Volume 2/2018"
Austrian Law Journal Volume 2/2018
Title
Austrian Law Journal
Volume
2/2018
Author
Karl-Franzens-Universität Graz
Editor
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Location
Graz
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
Size
19.1 x 27.5 cm
Pages
94
Keywords
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Categories
Zeitschriften Austrian Law Journal
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Austrian Law Journal