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Austrian Law Journal, Volume 2/2018
Page - 71 -
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Page - 71 - in Austrian Law Journal, Volume 2/2018

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ALJ 2018 Lando Kirchmair 71 2. Konkretes öffentliches Interesse Das grundrechtlich geschützte Eigentum darf nur entzogen werden, soweit dies notwendig ist, „um einem Gebot des allgemeinen Besten zu entsprechen.“21 Und dieses allgemeine Beste muss in Form eines „konkrete[n] Bedarf[s] vorliegen, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liegt.“22 Um die Abwägung zwischen öffentlichen und Individualinteressen vornehmen zu können, muss zuerst bestimmt werden, was das öffentliche Interesse ist – und zwar konkret. Doch was ist das allgemeine Beste? Wer bestimmt, was im öffentlichen Interesse liegt und was nicht? Seit 1949 überprüft der VfGH diese Fragen. Zuvor war die Bestimmung des öffentlichen Interesses ausschließlich dem Gesetzgeber überlassen.23 Der Grund dafür, weshalb der VfGH zunächst nicht über diese politische Entscheidung judizieren wollte, liegt zum einen in dem Respekt vor dem demokratisch gewählten Parlament als auch in der Schwierigkeit, öffentliches Interesse zu definieren. Grundsätzlich ist es auch heute noch dem einfachen Gesetzgeber überlassen, welche Ziele er verfolgt. Innerhalb der Schranken der Verfassung hat er einen weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum. „Der Verfassungsgerichtshof hat nicht zu beurteilen, ob die Verfolgung eines bestimmten Zieles etwa aus agrarpolitischen Gründen zweckmäßig ist“.24 Einschreiten kann der VfGH laut seiner eigenen Judikatur dann, wenn der Gesetzgeber „Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind.“25 Dafür gibt es allerdings weder eine Prüfformel noch anderweitig normierte Voraussetzungen. Ein Überblick über die rezente Rechtsprechung ist Zeugnis für die Diversität dessen, was im Rahmen von Enteignungen oder Eigentumsbeschränkungen im öffentlichen Interesse liegen kann.26 Die folgende Auflistung anerkannter öffentlicher Interessen wird vorgenommen, um die Neuartigkeit des besprochenen Falles deutlich zu machen. Denn keine der sogleich zu beschrei- benden Konstellationen beruht auf Symbolik. Der Vergleich soll folglich deutlich machen, worin die Schwierigkeit der Bestimmung des konkreten öffentlichen Interesses im gegenständlichen Fall liegt. Bis dato hat der VfGH die Eigentumsbeschränkung durch das Richtwertsystem für den Haupt- mietzins unzweifelhaft als im öffentlichen Interesse liegend erklärt.27 Ein budgetärer Konsolidie- rungsbedarf, konkret ging es im Bundesbahn-Pensionsgesetz (BB-PG) Verfahren um die Redukti- on einer hohen Belastung durch Pensionsverpflichtungen, stellt im Rahmen von durch das BB-PG bewirkte Eigentumsbeschränkung ebenso ein öffentliches Interesse dar.28 Zweifelsfrei ist auch eine Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse, insofern sie ein diskriminierungsfreies Entlohnungssystem sicherstellt.29 Und schließlich steht für sich, dass Eigentumsbeschränkungen 21 VfSlg 3666/1959 sowie VfSlg 8981/1981 mwN; 13.587/1993; 15.096/1998. 22 Ibid sowie naturgemäß auch VfSlg 20.186/2017 Rz 27. 23 Siehe nur zuvor FN 18. 24 VfSlg 20.032/2015 Rz 61. 25 Ibid mwN auf VfSlg 9.911/1983; 11.276/1987; 11.503/1987; 11.910/1988; 12.009/1989; 12.082/1989; 12.094/1989. Kein öffentliches Interesse besteht bspw „an einem ausnahmslosen Verbot von Baubewilligungen während befriste- ter Bausperre“. Siehe dafür VfSlg 15.577/1999. 26 Die folgende Rechtsprechung soll ausschließlich eine Übersicht über die Diversität des Verständnisses von öf- fentlichem Interesse geben. Dabei wird nicht zwischen Entziehungen von Eigentum und Eigentumsbeschränkun- gen unterschieden, da sowohl die Entziehung des Eigentums als auch Eigentumsbeschränkungen im öffentlichen Interesse liegen müssen. Siehe nur VfSlg 19.687/2012 Rz III.2.3 mwN. 27 VfSlg 20.179/2017 Rz 115. 28 VfSlg 17.071/2003 4.2.1.2. 29 VfSlg 20.073/2016 IV.2.6.
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Austrian Law Journal Volume 2/2018
Title
Austrian Law Journal
Volume
2/2018
Author
Karl-Franzens-Universität Graz
Editor
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Location
Graz
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
Size
19.1 x 27.5 cm
Pages
94
Keywords
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Categories
Zeitschriften Austrian Law Journal
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