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ALJ 2018 Lando Kirchmair 73
Interesses äußerst knapp und abstrakt. Im Folgenden soll näher ergründet werden, worin das
konkrete öffentliche Interesse im gegenständlichen Fall liegt bzw liegen könnte.
Zunächst ist ein zweigliedriges Interesse zu erahnen. Zum einen (1) ein negatives, in der Form der
Verhinderung des Missbrauchs des Hauses durch seine Geschichte. Und, damit im Zusammen-
hang stehend, (2) ein positives Interesse, das Haus bzw dessen Wahrnehmung so positiv zu be-
setzen, dass (1) dem Missbrauch vorgebeugt wird. Die Deutungshoheit ĂĽber das Haus soll zu-
rückerlangt und die Symbolik des Bösen, die dem Haus aktuell anhaftet gebrochen und ins Ge-
genteil verkehrt werden.37 Das EnteignungsG stipuliert in § 2 die Verpflichtung der Republik Ös-
terreich, das Objekt zukünftig in ihrem Eigentum zu bewahren, sowie es einer ebensolchen „Nut-
zung zuzuführen, die der dauerhaften Unterbindung der Pflege, Förderung oder Verbreitung national-
sozialistischen Gedankenguts oder eines bejahenden Gedenkens an den Nationalsozialismus dient.“
Fundament dafür ist zunächst die ständige Rechtsprechung des VfGH, welche „die kompromisslo-
se Ablehnung des Nationalsozialismus [als] ein grundlegendes Merkmal der 1945 wiedererstandenen
Republik Österreich“ qualifiziert.38 Das Verbot nazistischer Tätigkeit gemäß Art 9 Z 1 des Staatsver-
trages 1955 von Wien (StV Wien)39 sowie das Wiederbetätigungsverbot gem § 3 VerbotsG40 wurden
vom VfGH im vorliegenden Verfahren als einschlägige bundesverfassungsgesetzliche Bestimmun-
gen herangezogen. So viel zum Grundsätzlichen. Der Teufel liegt – wie so oft – im Detail. Zunächst
zum StV Wien.
a. Das bundesverfassungsgesetzliche Verbot nazistischer Tätigkeit gem Art 9 Z 1 StV Wien
Art 9 Abs 1 StV Wien enthält (gem Art 9 Abs 3 StV Wien unter Androhung von Strafsanktionen) die
Verpflichtung Österreichs, „die Bemühungen fort[zu]setzen, aus dem österreichischen politischen,
wirtschaftlichen und kulturellen Leben alle Spuren des Nazismus zu entfernen, […] um alle nazistische
oder militaristische Tätigkeit und Propaganda in Österreich zu verhindern.“ Art 9 Abs 1 StV Wien so-
wie ebenso § 3 VerbotsG sind laut VfGH „als umfassende Verbote zu verstehen [], deren Übertretung
zu sanktionieren ist (Art. 9 Z 3 StV Wien), die aber auch ĂĽber die Verpflichtung zur strafrechtlichen
Sanktion hinaus von weitergehender rechtlicher Bedeutung sind. Diese weitergehende Bedeutung kor-
respondiert mit der Verpflichtung der Republik Ă–sterreich, wie sie auch in Art. 10 StV Wien als Auftrag
an den Gesetzgeber enthalten ist, die insbesondere in Art. 9 StV Wien festgelegten Grundsätze aufrecht-
zuerhalten.“41
Die grundsätzliche Haltung der Republik ist klar. Neben den genannten bundesverfassungsge-
setzlichen Bestimmungen kann auch das republikanische Prinzip des B-VG ins Treffen gefĂĽhrt
werden, welches neben einer Abgrenzung zur Monarchie 1918, nach 1945 auch zur Abgrenzung
vom Anschluss an Deutschland und somit für Eigenständigkeit steht.42 Diese Haltung wird von
niemandem ernsthaft bestritten. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin zu klären, wie sich
dies zu der betroffenen Immobilie – zu einem Objekt – verhält.
37 Dazu sogleich, siehe unten II.B.2.c.
38 VfSlg 20.186/2017 Rz 28 mwN auf VfSlg 12.646/1991; 18.405/2008. Siehe auch Ă–hlinger/Eberhard, Verfassungs-
recht11 (2016) 70 f mit der Qualifikation als Staatszielbestimmung und mwN auf VfSlg 10.705/1985.
39 VfSlg 20.186/2017 Rz 29; BGBl 1955/152 idF BGBl I 2008/2.
40 VfSlg 20.186/2017 Rz 30–31; StGBl 1945/13 bzw dessen Neufassung durch BGBl 1947/25 (zuletzt geändert durch
BGBl 1992/148).
41 VfSlg 20.186/2017Rz 30 mwN auf VfGH 10. 12. 1984, B 416/81-32.
42 Vgl dazu bspw Thaler, Grundlagen von Verfassungs- und Verwaltungsrecht: Eine rechtsvergleichende EinfĂĽhrung
zum Verständnis (2017) 36.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2018
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2018
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 94
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal