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ALJ 2018 Katharina Huber 110
dessen Vertrag nach objektivem Maßstab fast gänzlich oder überwiegend privatem Zweck dient,
zu rechtfertigen mag. Bei beruflichem oder gewerblichem Handeln nur zu einem geringen Teil
liegen die – die Eigenverantwortung kennzeichnenden – Fachkenntnisse bei klassischen Dual-
Use-Geschäften (bspw Kauf eines Kfz durch einen Freiberufler, der das Auto zu beiden Zwecken
nutzt; Kauf des Computers durch einen Gewerbetreibenden) nicht vor, wenn kein direkter Bezug
zur Geschäftstätigkeit vorliegt.137 Es ist daher fraglich, ob dann, wenn der sich aus dem Vertrag
objektiv ergebende private Zweck fast gänzlich oder überwiegend ist, hinsichtlich dieses privaten
Teils diese besonderen mit dem Unternehmensbetrieb typischerweise vorhandenen Fachkennt-
nisse zu vermuten sind. Dagegen spricht auch, dass das KSchG von der Vermutung der Ungleich-
gewichtslage ausgeht138 und es daher nahe liegt, dass die Ungleichgewichtslage hinsichtlich des
privaten Teils vermutet wird, unabhängig davon, ob diese Ungleichgewichtslage tatsächlich be-
steht. Zudem lassen sich die im Rahmen der teleologischen Auslegung der VGK-RL vorgebrachten
Argumente für die Anwendung der Überwiegensregel (IV.A.3.) auch für das autonom-nationale
Recht fruchtbar machen.
3. Anwendbarkeit der Zweifelsregel des § 344 UGB?
Der OGH betont im „Fertigparkett-Fall“, dass die Anwendung des Vernachlässigbarkeitstests mit
der Wertung des der Zweifelsregel der § 344 UGB, wonach das Geschäft im Zweifel als Unter-
nehmergeschäft zu beurteilen ist, im Einklang stehe.139 Fraglich ist, ob § 344 UGB ein Zusatzargu-
ment für die Beurteilung von Dual-Use-Verträgen liefern kann. Nach § 344 UGB wird die sachliche
Zugehörigkeit des Geschäfts zum Betrieb eines Unternehmens vermutet. Voraussetzung ist, dass
Zweifel (non liquet) hinsichtlich des sachlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb des Unterneh-
mens bestehen.140 Mittels eines Gegenbeweises kann das Privatgeschäft nachgewiesen werden.
Nach hA gilt § 344 Abs 1 UGB analog im KSchG.141 Kerschner steht dem aufgrund der unterschied-
lichen Wertungen des KSchG und UGB kritisch gegenüber.142
137 Kriterium nach englischem Recht: Peter Symmons & Co v Cook (1981) 131 NLJ 758; Court of Appeal in R & B Customs
Brokers Co. Ltd/United Dominions Trust Ltd (1988) 1 WLR 321; Vgl dazu Howells/Weatherill, Consumer Protection
Law (2005); Hilton, Consumer Protection in the United Kingdom in Kleinschmidt (Hrsg), Verbraucherschutz in in-
ternationaler Perspektive, Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2006/1, 45; vgl Ratka/Lentner in Ratka/Jost 51 (75).
138 Der Verbraucher ist dem Unternehmer typischerweise unterlegen. Es ist aber nicht von Relevanz, ob der Ver-
braucher tatsächlich überlegen ist; vielmehr kommt es auf eine generell-abstrakte Beurteilung der Situation an.
Dazu: Kosesnik-Wehrle in Kosesnik-Wehrle (Hrsg), KSchG4 (2015) § 1 Rz 4; Krejci in Rummel3 § 1 KSchG Rz 5 f. Die te-
leologische Reduktion einer Verbraucherbestimmung kann in engen Grenzen notwendig sein, wenn vom Leitbild
des Gesetzgebers abgewichen wird. Atypischer Kommanditist einer KG, der nicht Unternehmer ist, alle Geschäfte
der KG führt und über die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit Bescheid weiß, kann sich nicht auf das Mäßi-
gungsrecht iSd § 25 d KSchG berufen: OGH 19. 3. 2014, 4 Ob 232/12 i; aA Koesnik-Wehrle in Kosesnik-Wehrle,
KSchG4 § 1 Rz 4.
139 OGH 18. 2. 2015, 7 Ob 94/14w.
140 Kerschner in Jabornegg/Artmann (Hrsg), UGB2 (2010) § 344 UGB Rz 6.
141 OGH 5. 4. 1989, 1 Ob 519/89; 11. 7. 1990, 3 Ob 578/990 (diejenige, die eine kleine Landwirtschaft betreibt nahm
für sich den Schutz des KSchG in Anspruch; 25. 8. 2014, 8 Ob 72/14t; 18. 2. 2015, 7 Ob 94/14w; Apathy in Schwi-
mann/Kodek, ABGB Praxiskommentar Va4 § 1 KSchG Rz 12; Welser, Die Beschränkung der Vertragsfreiheit beim
Konsumentengeschäft, JBl 1980, 5 f; Kramer/Rauter in Straube/Ratka/Rauter (Hrsg), UGB I4 (Stand 1. 9. 2016,
rdb.at) §§ 343, 344 Rz 75; Krejci, HBzKSchG 220; ders in Rummel3 § 1 KSchG Rz 4; Ratka in Torggler (Hrsg), UGB2
(Stand: 1. 1. 2016, rdb.at) § 344 Rz 4; Zehentmayer, JBl 2016, 616; nach Kronthaler, Anwendungsprobleme des Ver-
braucherschutzrechts, Neuerliche Erwägungen zu ausgewählten Problembereichen, RdW 2017, 614 (617 f) greife
eine Analogie nur dann, wenn nicht klar sei – aus einer ex ante Perspektive – , ob der unternehmerische oder
private Bereich überwiegend sei.
142 Kerschner in Jabornegg/Artmann2, § 344 UGB Rz 11; ihm folgend: Böhler, Der Scheinunternehmer im Verbraucher-
recht, ÖJZ 2015, 965 (968); kritisch Mayrhofer/Nemeth in Fenyves/Kerschner/Klang3 KSchG § 1 Rz 51.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2018
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2018
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 94
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal