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ALJ 2021 Redintegration 161
beeinflusst.65 Beiden Entwürfen (s Codex Theresianus [III
2,11166] und Entwurf Horten [III 1,2667]) liegt die Vorstellung zugrunde, dass jeder kausale
Irrtum über einen beachtlichen Umstand68 der Konsensbildung entgegensteht. Sie lässt
Anfechtungsalternativen, wie man sie heute in § 871 Abs 1 ABGB findet, keinen Raum.
Anders gestaltet sich der : Dass mit den bisherigen
Kodifikationsarbeiten brach,69 überrascht nicht, wenn man sich die dogmatischen
Fortschritte vergegenwärtigt, welche die Wissenschaft in der zweiten Hälfte des 18. Jh im
Bereich des Irrtumsrechts erzielte: In Weiterentwicklung der Lehre von , der
Vereinbarungen erstmals als betrachtete,70 postulierten der
Historiker und Jurist 71, der Rechtsgelehrte 72 sowie der Philosoph 73,
dass die Frage nach der Auswirkung eines Irrtums auf die jeweilige Vereinbarung als
Gefahrtragungsproblem zu begreifen sei.74 Diese Entwicklung entging nicht, und so
75:Der Veranlasser des Irrtums
soll den Nachteil tragen. Ist der Versprechende selbst für einen Irrtum verantwortlich, könne
65 Siehe nur , Die Rolle des Usus modernus pandectarum im Entwurf des Codex Theresianus, in FS für Karl
Kroeschell (1997) 1363 (1384 f, 1387); instruktiv zum Irrtumsrecht des : , Irrtum 151-232; zum
Irrtumsrecht des Codex Theresianus und des Entwurfs von Horten s aaO 439-444.
66 , welche das Falsche für wahr, oder das Wahre für falsch haltet. Dieser schließet
entweder alle Einwilligung dergestalten gänzlich aus, daß, wann der Einwilligende den Irrthum vorhero anerkannt und
eingesehen hätte, seine Einwilligung niemalen erfolget wäre, oder er streitet wenigstens nur insoweit mit dem Willen, daß,
wann solcher vorgesehen worden wäre, die Handlung zwar nicht unterblieben, doch aber die Einwilligung auf eine andere
67 enn der Irrthum von der Beschaffenheit ist, daß der Einwilligende bei Entdeckung seines Irrthums niemals in die Handlung
68 Modern gedacht ist am Codex Theresianus, dass er einen Irrtu
69 Diese Bruchlinie in der Redaktionsgeschichte zeigt (Franz v. Zeiller und die Irrtumsregelung des ABGB, in
Forschungsband Franz von Zeiller [1980] 153 [155 ff, insb 161 f]) klar auf.
70 Siehe , Institutiones iurisprudentiae divinae (1688) 89 ff (Buch II, Kapitel 6, );
(Irrtum 240)
hinaus, und postulierte in dezidierter Abkehr von der romanistischen Tradition, dass der Irrtum im Zweifel stets dem
Irrenden schade (aaO 99 [§ 39]:
Legibus civilibus, putem aeqvitati naturali convenientissimum esse, siin materia promissorum repetamus regulam jam supra
inculcatam: Errorem in dubio semper nocere debere er
71 Irrtumslehre ist in seinen Werken Prolegomena iuris naturalis (1767) §§ 4 ff, §§ 14-16, § 106, § 165 und Ivs
Natvrae I (1774) §§ 125 ff auf uns gekommen; , Irrtum 419-423 hat die Lehre anschaulich aufbereitet.
72 Die Irrtumslehre von (1722-
in Band VI (1785) von Hommels
: , Irrtum 423-425.
73 Initia philosophiae justi² (1783) 152 ff (§§ 214-217). Näher zu Irrtumslehre: , Irrtum 425-430, der diese
jedoch anhand der 1. Auflage des Werks Initia philosophiae justi (1781) darstellt.
74 Siehe dazu nur aaO (FN 72) § 2, wo er die häufig rezipierte These aufstellt, dass der Zufall eines Irrtums den Irrenden
domino i.e. infortu
75 (1778)
qui est erroris causa; quare si promittentem suus tantum fefellerit animus, quum, quod verbis declaratur, pro vera sit
auch die Übersetzung des Werks von , Des Freyherrn von Martini
Lehrbegriff des Natur- Staats- und Völkerrechts (1783; Nachdruck 1969). Hier findet man die Ausführungen zum in
den §§ 157 ff.
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Austrian Law Journal
Volume 2/2021
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 2/2021
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 48
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal