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Austrian Law Journal, Volume 3/2017
Page - 166 -
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Page - 166 - in Austrian Law Journal, Volume 3/2017

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ALJ 3/2017 Das bewegliche System 166 Regeln unerlässlich sind (dazu gleich unten), kein anderer Weg offenbleibt. In einem Gebiet wie dem Schadenersatzrecht, das eine unerschöpfliche Vielfalt von Sachverhalten und eine Vielzahl von Prinzipien und Wertungsgesichtspunkten zu erfassen hat, wird es hingegen wohl kaum ge- lingen, derart feste Grundregeln mit klar umrissenen Ausnahmen in den Griff zu bekommen. Überdies ist zu bedenken, dass der Gesetzgeber nur dann in der Lage sein wird, Grundregeln mit festen Ausnahmen zu formulieren, wenn er vorher unter Anwendung des beweglichen Systems nach einer sachgerechten Lösung gesucht hat und das so gewonnene Ergebnis möglichst fest zu formulieren versucht. Nicht zu leugnen ist wohl auch, dass das bewegliche System das differen- zierte Denken und die Berücksichtigung des Zusammenspiels mehrerer Gesichtspunkte jeden- falls besonders fördert. Da bisher ausschließlich schadenersatzrechtliche Beispiele angeführt wurden, ist zu betonen, dass Wilburg sich zwar vor allem mit dem Schadenersatzrecht, aber auch mit dem Recht der un- gerechtfertigten Bereicherung26 beschäftigt hat. Das bewegliche System ist jedoch auch darüber hinaus in vielen anderen Gebieten unverzichtbar, in denen eine Mehrzahl von Gesichtspunkten zu berücksichtigen ist. Franz Bydlinski hat dies ua sehr eindrucksvoll für den rechtsgeschäftlichen Bereich gezeigt27. Nach seinen Vorstellungen kann das Vertragsrecht systematisch im Wesentli- chen auf das Zusammenspiel von vier Prinzipien zurückgeführt werden: 1. Das Prinzip der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie (Selbstbestimmung), wonach die Betei- ligten selbst eine Regelung der Rechtsfolgen nach ihrem freien Willen vornehmen können. 2. Das Prinzip der Verkehrssicherheit, insb des Schutzes berechtigten Vertrauens. 3. Das Prinzip der Vertragsgerechtigkeit, das auf eine ausreichende inhaltliche Äquivalenz von Leistungen und Rechtspositionen abstellt; anders ausgedrückt, auf das Fehlen offenkundi- ger Unausgewogenheit. 4. Das Prinzip der Selbstverantwortung, das die Treue zum eigenen Wort (Vertragstreue) for- dert, somit die Selbstbindung, die auch zur Bindung an ungewollte, jedoch zurechenbare Er- klärungen führt. Abgesehen von der Pluralität der Prinzipien betont die Lehre vom beweglichen System die Abstuf- barkeit der Elemente, mit anderen Worten, deren komparativen Charakter;28 für das Schadener- satzrecht kann bspw auf die Verschuldensgrade hingewiesen werden, die vom Vorsatz bis zur leichtesten Fahrlässigkeit reichen; für das Vertragsrecht auf die Privatautonomie, die durch Fehl- informationen, Irrtümer oder Einschränkungen der Freiheit zur inhaltlichen Gestaltung in ver- schiedenen Stufen gegeben sein kann. Die Rechtsfolgen in einem Einzelfall werden dementspre- chend durch die komparative Stärke der Elemente in ihrem Zusammenspiel bestimmt. Das führt auch dazu, dass etwa die Haftung selbst dann zu bejahen sein kann, wenn einer der maßgeben- den Faktoren fehlt oder nur in sehr geringem Maße gegeben ist, dies jedoch dadurch ausgeglichen wird, dass das Gewicht der anderen Faktoren höher ist als normalerweise vorausgesetzt. Die Elemente weisen somit eine klare, differenzierte Mehr-oder-weniger-Struktur auf. Beim Zusam- 26 Wilburg, AcP 163 (1963) 346 ff. 27 F. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts (1967); F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) 147 ff; F. Bydlinski, A ‚Flexible System‘ Approach to Contract Law, in Hausmaninger/Koziol/Rabello/Gilead (Hrsg), Developments in Austrian and Israeli Private Law 9 (9 ff); F. Bydlinski, Mélanges en l’honneur du Professeur Bruno Schmidlin190 ff. 28 Wilburg, Bewegliches System 13 f. Siehe auch Michael, Gleichheitssatz 115 ff.
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Austrian Law Journal Volume 3/2017
Title
Austrian Law Journal
Volume
3/2017
Author
Karl-Franzens-Universität Graz
Editor
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Location
Graz
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
Size
19.1 x 27.5 cm
Pages
66
Keywords
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Categories
Zeitschriften Austrian Law Journal
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