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Austrian Law Journal
Austrian Law Journal, Volume 3/2017
Page - 167 -
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Page - 167 - in Austrian Law Journal, Volume 3/2017

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ALJ 3/2017 Helmut Koziol 167 mentreffen gegensätzlicher Prinzipien ist ein Kompromiss durch Bestimmung von „Vorrangrela- tionen“ festzulegen. Zu betonen ist, dass nicht nur die Abstufungen der maßgebenden Elemente bei der Festlegung der Rechtsfolgen zu beachten ist, sondern auch die Abstufbarkeit der Rechtsfolgen.29 Das bewegliche System ist somit darauf gerichtet, die maßgebenden Wertungen der anzuwen- denden Norm zu erfassen und sowohl die Abstufbarkeit der maßgebenden Faktoren als auch der Rechtsfolgen zu berücksichtigen. Ob – um beim Schadenersatzrecht zu bleiben – eine Haftung gerechtfertigt ist oder nicht, hängt daher sowohl von der Zahl der gegebenen Faktoren als auch von deren Zusammenspiel ab. Darüber hinaus kommt dem Gewicht der Elemente Bedeutung zu. Wie ferner Schilcher30 zu Recht fordert, muss mit der Herausarbeitung einer Basiswertung und der Formulierung des Normalfalls begonnen werden. Das bedeutet, dass das Gesamtgewicht der Faktoren festzustellen ist, das normalerweise ausreicht um die Haftung zu begründen: Nur dann wenn ein Standard für den Vergleich vorhanden ist, kann das „Mehr oder Weniger“ an Gewicht in einem konkreten Fall festgestellt werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Haftung – unabhängig vom Gewicht einzelner Elemente – stets dann zu bejahen ist, wenn das Gesamtge- wicht der Faktoren diesem Normalmaß entspricht. Schilcher betont auch, dass der Normalfall ganz gleich wie im überkommenen System behandelt wird, nämlich durch Anwendung der die Basiswertung formulierenden Regelung, und lediglich bei Abweichungen vom Normalfall nicht vage mit „Billigkeit“ oder den „Umständen des Einzelfalles“ argumentiert, sondern eine Abwä- gung der dem Gesetz entnehmbaren Wertungselemente vorgenommen wird. Das bewegliche System macht etwas deutlich, was eigentlich als eine Selbstverständlichkeit er- scheint:31 Alle schadenersatzrechtlichen Verhaltensregeln und jegliche Anordnung von Rechtsfol- gen erfordern eine Abwägung des Gesetzgebers zwischen gegensätzlichen Interessen, nämlich auf der einen Seite dem Interesse an möglichst weitgehender Bewegungs- und Entfaltungsfrei- heit sowie unbeschränkter Nutzung der eigenen Güter, auf der anderen Seite jenem an möglichst weitgehendem Schutz der eigenen Sphäre. Entsprechend spielen im rechtsgeschäftlichen Bereich das Interesse an der Verwirklichung der Privatautonomie und auf der anderen Seite am Vertrau- ensschutz eine entscheidende Rolle und deren Abwägung ist maßgebend für die Rechtsfolge der Wirksamkeit des Vertrages und der Berechtigung, sich auf die Ungültigkeit oder Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts zu berufen. Überall dort, wo der Gesetzgeber dem Rechtsanwender einen Entscheidungsspielraum überlassen muss, weil er keine völlig feste Regel formulieren kann oder will, hat der Richter eine derartige Interessenabwägung vorzunehmen. Für eine systemgerechte, dem Prinzip der Gleichbehandlung und damit der Gerechtigkeit entsprechende Entscheidung ist diese unerlässlich. Daher wird sie vielfach auch unbewusst vorgenommen, weil anders eine Ent- scheidung gar nicht zu finden ist. Wenn nun der Gesetzgeber dies klar aufzeigt und überdies als „Kundendienst“ die relevanten Faktoren nennt, so wird nur etwas offen ausgesprochen, was für 29 Vgl Wilburg, AcP 163 (1963) 347; dazu Canaris, Systemdenken 74 f. 30 Schilcher, Schadensverteilung 204; Schilcher in Wünsch (Hrsg), Professoren erinnern sich 156 ff. 31 Wieacker, Römische Rechtsgeschichte, 2. Abschnitt: Die Jurisprudenz vom frühen Prinzipat bis zum Ausgang der Antike (2006) 52, macht darauf aufmerksam, dass die Rechtsfindung der römischen Juristen sich den Vorschlägen für die Lockerung „starrer“ Privatrechtssysteme durch die Entwicklung eines beweglichen Systems, das durch größere Flexibilität seiner Prämissen und freieren Austausch seiner Bestimmungsgründe eine Optimierung der Problemlösungen anstrebt, nähert.
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Austrian Law Journal Volume 3/2017
Title
Austrian Law Journal
Volume
3/2017
Author
Karl-Franzens-Universität Graz
Editor
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Location
Graz
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
Size
19.1 x 27.5 cm
Pages
66
Keywords
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Categories
Zeitschriften Austrian Law Journal
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