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Austrian Law Journal, Volume 3/2017
Page - 169 -
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Page - 169 - in Austrian Law Journal, Volume 3/2017

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ALJ 3/2017 Helmut Koziol 169 es sich um typische, auch hinsichtlich der Konsequenzen der Regelung klar überblickbare Sachverhalte handelt, sprechen Rechtssicherheit und Zweckmäßigkeit, dh hier voraussehbare und einfache Rechts- anwendung, aber auch die Gerechtigkeitsgleichheit weiterhin dafür, beim gesetzestechnischen System der festen Tatbestandsbildung zu bleiben. Auch wo die Rechtssicherheit zu den besonderen Zwecken einer Regelung gehört, wird kein (oder doch nur geringer) Raum für ‚bewegliche’ Enklaven sein. Ein grundsätzlich beweglich gestaltetes Wechsel-, Grundbuchs-, Prozeß- oder gar Strafrecht ist gewiß aus- geschlossen.“ Nur soweit wegen der Vielschichtigkeit der Rechtsfragen und der Vielfältigkeit der zu lösenden Sachverhalte keine Möglichkeit gegeben ist, eine sachgerechte feste Regel zu formulieren,38 wird ein Mittelweg39 zwischen starren Tatbeständen und vagen Generalklauseln vorgeschlagen: Durch die Angabe der Basiswertung und der vom Richter zu berücksichtigenden maßgebenden Fakto- ren soll eine erhebliche Konkretisierung erreicht, die Rechtsfindung des Richters gelenkt und damit sein Spielraum erheblich eingeschränkt40 sowie seine Entscheidung vorhersehbar werden. All dies fördert die Rechtssicherheit. Andererseits aber soll das auf den Einzelfall abstellende Zu- sammenwirken der Elemente eine gelenkte Berücksichtigung der Vielfalt der Lebenssachverhalte ermöglichen und damit die Einzelfallgerechtigkeit fördern. Das Zusammenspiel der in unterschied- licher Stärke vorhandenen Faktoren entscheidet dann auch über die Rechtsfolgen. Canaris41 stellt deshalb fest: „[D]as bewegliche System stellt einen besonders glücklichen Kompromiß zwischen den verschiedenen Postulaten der Rechtsidee dar – auch die Rechtssicherheit ist ja immerhin noch in weit stärkerem Maß gewahrt als bei einer bloßen Billigkeitsklausel – und bringt deren ‚Polarität‘ in einer abgewogenen ‚mittleren‘ Lösung zum Ausgleich, von den Rigorismen starrer Normen hält es sich gleich- ermaßen fern wie von der Konturlosigkeit reiner Billigkeitsklauseln.“ Canaris42 zählt deshalb den Ge- danken eines beweglichen Systems zu den bedeutenden juristischen „Entdeckungen“. Die dennoch oft zu erlebende Abneigung gegenüber der Formulierung elastischer Regeln ent- sprechend der Lehre vom beweglichen System findet meiner Vermutung nach ihren tieferen Grund darin, dass diese Methode zwar die Anwendung der Normen erleichtert und nachvollzieh- barer macht, für den Gesetzgeber aber erheblich mühsamer ist: Er müsste sich vorher Klarheit über die grundsätzlichen Ziele und maßgebenden Wertungsgesichtspunkte verschaffen. Nur unter diesen Voraussetzungen können die Wegweiser für die Anwendung der Norm aufgestellt werden. Die Gesetzgeber scheuen aber meist vor dieser gründlichen Vorbereitung von Gesetzen zurück und haben oft nur ein aktuelles tagespolitisches Problem und nicht ein in sich geschlos- senes, konsequentes Gesamtsystem vor Augen. Das Ergebnis könnte in einem beweglichen System der Normsetzung folgendermaßen zusammen- gefasst werden: Entscheidende Elemente der vom Gesetzgeber umzusetzenden Rechtsidee sind Gerechtigkeit und Rechtssicherheit.43 Das bedeutendste Gerechtigkeitskriterium ist wohl die 38 Auf die Unmöglichkeit, stets klare, „unbewegliche“ Normen zu formulieren weist auch Michael, Gleichheitssatz 60 f, hin. 39 Dass es sich um einen Mittelweg handelt, wird von F. Bydlinski, Methodenlehre 533; Canaris, Systemdenken 82 ff, hervorgehoben. 40 Schilcher in Magnus/Spier 295, spricht deshalb von einem „gebundenen Ermessen“. Diese Terminologie birgt aller- dings die Gefahr der Verwechslung mit der im Verwaltungsrecht gängigen Lehre vom „gebundenen Ermessen“ in sich. Zu dieser siehe Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3 (1996) 250 ff. 41 Canaris, Systemdenken 84. 42 Canaris, Systemdenken 85. 43 Siehe F. Bydlinski, Methodenlehre 290 ff, 325 ff, 335 ff.
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Austrian Law Journal Volume 3/2017
Title
Austrian Law Journal
Volume
3/2017
Author
Karl-Franzens-Universität Graz
Editor
Brigitta Lurger
Elisabeth Staudegger
Stefan Storr
Location
Graz
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
Size
19.1 x 27.5 cm
Pages
66
Keywords
Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
Categories
Zeitschriften Austrian Law Journal
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