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ALJ 3/2017 Ehrke-Rabel/Eisenberger/Hödl/Zechner 211
weite ihres Verhaltens bewusst waren.190 Auch fehlendes Vermögen oder häufiger Mitglieder-
wechsel verhindern das Zustandekommen einer GesbR nicht.191
Der gemeinsame Nutzen kann wirtschaftlich oder ideell sein (§ 1175 Abs 3 ABGB).192 Wesentlich
ist, dass der gemeinsame Wille der Vertragsparteien über das Halten und Verwalten von Vermö-
gen hinausgeht.193 Die GesellschafterInnen müssen zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks194
zusammenwirken195 und einen Beitrag leisten.196 Als Beitrag ist jegliche Leistung denkbar, sofern
sie geeignet ist, den Gesellschaftszweck zu fördern (insb Geschäftsführungsmaßnahmen und
Arbeitsleistungen197).198
Die GesbR ist nicht eintragungsfähig und nach § 1175 Abs 2 ABGB nicht rechtsfähig.199 Zivilrecht-
lich kommen allein die GesellschafterInnen, im konkreten Fall die TeilnehmerInnen im Bitcoin-
Netzwerk (natürliche und juristische Personen), als TrägerInnen von Rechten und Pflichten in
Betracht. Sie haften als GesamtschuldnerInnen (§ 1199 Abs 1 ABGB).
Im Umsatzsteuerrecht und daher – wie erwähnt200 – auch im Glücksspielrecht ist die mangelnde
Rechtsfähigkeit irrelevant. Wesentlich ist nur, dass die Vereinigung – abgesehen von der selb-
ständigen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen im weitesten Sinn – nach außen als Einheit auf-
tritt201 und über ein Mindestmaß an Organisation verfügt.202
Das Bitcoin-Netzwerk erfüllt die Voraussetzungen einer GesbR, die nach außen auftritt:
Die Software führt das Mining und die Transaktionen im Netz mithilfe der Hardware und der
Rechenleistung der Nodes aus. Durch die Vernetzung der Nodes verfügt das Bitcoin-Netzwerk
190 OGH 12. 2. 1991, 8 Ob 707/89; 13. 1. 1998, 8 ObA 284/97s; Artmann in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB (Klang)3
§ 1175 Rz 30.
191 Artmann in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB (Klang)3 § 1175 Rz 61.
192 Nach der Rechtsprechung reichte schon vor dem GesbR-RG (Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche
Gesetzbuch und das Unternehmensgesetzbuch zur Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts geändert wer-
den [GesbR-Reformgesetz – GesbR-RG], BGBl I 2014/83) bereits die bloß indirekte Förderung wirtschaftlicher In-
teressen (OGH 26. 1. 1989, 8 Ob 620/88 mwN). Bei der Beurteilung des gemeinschaftlich verfolgten Zweckes ist
kein strenger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0110698; OGH 12. 2. 1991, 8 Ob 707/89 mwN).
193 Artmann in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB (Klang)3 § 1175 Rz 34.
194 RIS-Justiz RS0014571; OGH 22. 9. 1977, 6 Ob 655, 656/77.
195 ErläutRV 270 BglNr 25. GP 6; RIS-Justiz RS0022127; Told in Bergmann/Ratka, Handbuch2 Rz 2/31, 2/38 mwN. Die
Mitglieder einer GesbR trifft gem §§ 1182 Abs 2 Satz 3 und § 1186 Abs 1 Satz 1 ABGB eine Förder- und Sorgfalts-
pflicht (Told in Bergmann/Ratka, Handbuch2 Rz 2/115 mwN).
196 § 1182 Abs 2 ABGB. Dazu Told in Bergmann/Ratka, Handbuch2 Rz 2/195.
197 Told in Bergmann/Ratka, Handbuch2 Rz 2/116; Artmann in Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg), Großkommentar zum
ABGB (Klang)3 §§ 1175 bis 1216e (2017) § 1181 Rz 9, § 1186 Rz 5, § 1189 Rz 4.
198 OGH 13. 8. 1998, 2 Ob 197/98d; 18. 10. 2005, 5 Ob 226/05d; 7. 6. 2016, 10 Ob 77/15v mwN. Bei der Einlage (zum
Hauptstamm) kann es sich um sachen-, schuld- und immaterialgüterrechtliche Einlagen handeln (Told in Berg-
mann/Ratka, Handbuch2 Rz 2/85). Für eine demonstrative Aufzählung unterschiedlicher Formen von Beiträgen
siehe zur alten Rechtslage Jabornegg/Resch/Slezak in Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar V4 (2014)
§ 1175 Rz 10 und Artmann in Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg), Großkommentar zum ABGB (Klang)3 §§ 1175 bis
1216e (2017) § 1182 Rz 22. Es genügt aber die Erbringung von Arbeitsleistungen (Told in Bergmann/Ratka, Hand-
buch2 Rz 2/195 mwN).
199 Die GesbR ist keine juristische Person (OGH 23. 4. 1986, 1 Ob 558, 559/86; 8. 6. 1994, 9 ObA 95/94; 13. 4. 2000,
6 Ob 58/00y; RIS-Justiz RS0022132; RIS-Justiz RS0022184; RIS-Justiz RS0113444; Told in Bergmann/Ratka, Hand-
buch2 Rz 2/33 mwN). Zu beachten ist jedoch die Pflicht zum Rechtsformwechsel gem § 8 Abs 3 UGB bei Über-
schreiten der Umsatzgrenze in § 189 UGB.
200 Siehe dazu Pkt III.C.2.c.
201 VwGH 1. 12. 1986, 86/15/0009; 3. 7. 2003, 99/15/0190; 25. 2. 2009, 2006/13/0128; Ehrke-Rabel in Doralt/Ruppe,
Steuerrecht II7 Tz 218; Ruppe/Achatz, UStG4 § 2 Rz 20; Windsteig in Melhardt/Tumpel, UStG2 § 2 Rz 2 mwN.
202 C. Toifl in Bergmann/Ratka, Handbuch2 Rz 18/7; EuGH 27. 1. 2000, C-23/98 Heerma; VwGH 5. 2. 1992, 89/13/0111
mwN.
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Austrian Law Journal
Volume 3/2017
- Title
- Austrian Law Journal
- Volume
- 3/2017
- Author
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Editor
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Location
- Graz
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 19.1 x 27.5 cm
- Pages
- 66
- Keywords
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Categories
- Zeitschriften Austrian Law Journal