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Amok - Novellen einer Leidenschaft
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Pflicht hat … nämlich, es gibt ja nicht nur eine Pflicht, die gegen den andern, sondern eine für sich selbst und eine für den Staat und eine für die Wissenschaft … Man soll helfen, natürlich, dazu ist man doch da … aber solche Maximen sind immer nur theoretisch … Wie weit soll man denn helfen? … Da sind Sie, ein fremder Mensch, und ich bin Ihnen fremd, und ich bitte Sie, zu schweigen darüber, daß Sie mich gesehen haben … gut, Sie schweigen, Sie erfüllen diese Pflicht … Ich bitte Sie, mit mir zu sprechen, weil ich krepiere an meinem Schweigen … Sie sind bereit, mir zuzuhören … gut … Aber das ist ja leicht … Wenn ich Sie aber bitten würde, mich zu packen und über Bord zu werfen … da hört sich doch die Gefälligkeit, die Hilfsbereitschaft auf. Irgendwo endets doch … dort, wo man anfängt mit seinem eigenen Leben, seiner eigenen Verantwortung … irgendwo muß es doch enden … irgendwo muß diese Pflicht doch aufhören … Oder vielleicht soll sie gerade beim Arzt nicht aufhören dürfen? Muß der ein Heiland, ein Allerweltshelfer sein, bloß weil er ein Diplom mit lateinischen Worten hat, muß der wirklich sein Leben hinwerfen und sich Wasser ins Blut schütten, wenn irgendeine … irgendeiner kommt und will, daß er edel sei, hilfreich und gut? Ja, irgendwo hört die Pflicht auf … dort, wo man nicht mehr kann, gerade dort … « Er hielt wieder inne und riß sich auf. »Verzeihen Sie … ich rede gleich so erregt … aber ich bin nicht betrunken … noch nicht betrunken … auch das kommt jetzt oft bei mir vor, ich gestehe es Ihnen ruhig ein, in dieser höllischen Einsamkeit … Bedenken Sie, ich habe sieben Jahre nur fast zwischen Eingeborenen und Tieren gelebt … da verlernt man das ruhige Reden. Wenn man sich dann auftut, flutets gleich über … Aber warten Sie … ja, ich weiß schon … ich wollte Sie fragen, wollte Ihnen so einen Fall vorlegen, ob man die Pflicht habe zu helfen … so ganz engelhaft rein zu helfen, ob man … Übrigens ich fürchte, es wird lang werden. Sind Sie wirklich nicht müde?« »Nein, durchaus nicht.« »Ich … ich danke Ihnen … Nehmen Sie nicht?« Er hatte irgendwo hinter sich ins Dunkel getappt. Etwas klirrte gegeneinander, zwei, drei, jedenfalls mehrere Flaschen, die er neben sich gestellt. Er bot mir ein Glas Whisky, an dem ich flüchtig nippte, während er mit einem Ruck das seine hinabgoß. Einen Augenblick stand Schweigen zwischen uns. Da schlug die Glocke: halb eins. * »Also … ich möchte Ihnen einen Fall erzählen. Nehmen Sie an, ein Arzt in einer … einer kleineren Stadt … oder eigentlich am Lande … ein Arzt, der … ein Arzt, der … « 12
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Amok Novellen einer Leidenschaft
Title
Amok
Subtitle
Novellen einer Leidenschaft
Author
Stefan Zweig
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
158
Categories
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