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blitzschnell durch den Kopf – »da erinnerte ich mich, daß Sie hier wohnen.
Ich habe schon so viel von Ihnen gehört, Sie haben ja eine wirkliche Zauberei
mit dem Vizeresidenten gemacht, sein Bein ist wieder tadellos allright, er
spielt Golf wie frĂĽher. Ah, ja, alles spricht noch davon drunten bei uns, und
wir wollten alle unseren brummigen Surgeon und noch die zwei andern
hergeben, wenn Sie zu uns kämen. Überhaupt, warum sieht man Sie nie
drunten, Sie leben ja wie ein Joghi … «
Und so plappert sie weiter, hastig und immer hastiger, ohne mich zu Worte
kommen zu lassen. Etwas Nervöses und Fahriges ist in diesem talkigen
Geschwätz, und ich werde selbst unruhig davon. Warum spricht sie soviel,
frage ich mich innerlich, warum stellt sie sich nicht vor, warum nimmt sie den
Schleier nicht ab? Hat sie Fieber? Ist sie krank? Ist sie toll? Ich werde immer
nervöser, weil ich die Lächerlichkeit empfinde, so stumm vor ihr zu stehen,
übergossen von ihrer prasselnden Geschwätzigkeit. Endlich stoppt sie ein
wenig, und ich kann sie hinaufbitten. Sie macht dem Boy eine Bewegung,
zurĂĽckzubleiben, und geht vor mir die Treppe empor.
»Nett haben Sie es hier«, sagt sie, in meinem Zimmer sich umsehend. »Ah,
die schönen Bücher! die möchte ich alle lesen!« Sie tritt an das Regal und
mustert die BĂĽchertitel. Zum erstenmal, seit ich ihr entgegengetreten,
schweigt sie fĂĽr eine Minute.
»Darf ich Ihnen einen Tee anbieten?« fragte ich.
Sie wendet sich nicht um und sieht nur auf die Büchertitel. »Nein, danke,
Doktor … wir müssen gleich wieder weiter … ich habe nicht viel Zeit … war
ja nur ein kleiner Ausflug … Ach, da haben Sie auch den Flaubert, den liebe
ich so sehr … wundervoll, ganz wundervoll, die ›Education sentimentale‹ …
ich sehe, Sie lesen auch französisch … Was Sie alles können! … ja, die
Deutschen, die lernen alles auf der Schule … Wirklich großartig, so viel
Sprachen zu können! … Der Vizeresident schwört auf Sie, sagt immer, Sie
seien der einzige, dem er unter das Messer ginge … unser guter Surgeon
drüben taugt gerade zum Bridgespiel … Übrigens wissen Sie – (sie wendete
sich noch immer nicht um) heute kams mir selbst in den Sinn, ich sollte Sie
einmal konsultieren … und weil wir eben vorüberfuhren, dachte ich … nun,
Sie haben jetzt wohl zu tun … ich komme lieber ein andermal.«
»Deckst du endlich die Karten auf!« dachte ich mir sofort. Aber ich ließ
nichts merken, sondern versicherte ihr, es wĂĽrde mir eine Ehre sein, jetzt und
wann immer sie wolle, ihr zu dienen.
»Es ist nichts Ernstes,« sagte sie, sich halb umwendend und gleichzeitig in
einem Buch blätternd, das sie vom Regal genommen hatte, »nichts Ernstes …
Kleinigkeiten … Weibersachen … Schwindel, Ohnmachten. Heute früh
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Amok
Novellen einer Leidenschaft
- Title
- Amok
- Subtitle
- Novellen einer Leidenschaft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Categories
- Weiteres Belletristik