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»Ja.«
Wie ein Messer scharf und schneidend läßt sie das Wort fallen. In ihrem
abgewandten Kopf zuckt nicht eine Linie.
»Vielleicht wäre es da am besten, gnädige Frau, ich nehme eine allgemeine
Untersuchung vor … darf ich Sie vielleicht bitten, sich … sich in das andere
Zimmer hinüber zu bemühen?«
Da wendet sie sich plötzlich um. Durch den Schleier fühle ich einen kalten,
entschlossenen Blick mir gerade entgegen.
»Nein … das ist nicht nötig … ich habe volle Gewißheit über meinen
Zustand.««
*
Die Stimme zögert einen Augenblick. Wieder blinkert im Dunkel das
gefüllte Glas.
»Also hören Sie … aber versuchen Sie zuerst einen Augenblick sich das zu
überdenken. Da drängt sich zu einem, der in seiner Einsamkeit vergeht, eine
Frau herein, die erste weiße Frau betritt seit Jahren das Zimmer … und
plötzlich spüre ichs, es ist etwas Böses im Zimmer, eine Gefahr. Irgendwie
überliefs mich: mir graute vor der stählernen Entschlossenheit dieses Weibes,
die da mit plapprigen Reden hereingekommen war und dann mit einemmal
ihre Forderung zückt, wie ein Messer. Denn was sie von mir wollte, wußte ich
ja, wußte ich sofort – es war nicht das erstemal, daß Frauen so etwas von mir
verlangten, aber sie kamen anders, kamen verschämt oder flehend, kamen mit
Tränen und Beschwörungen. Hier aber war eine … ja, eine stählerne, eine
männliche Entschlossenheit … von der ersten Sekunde spürte ichs, daß diese
Frau stärker war als ich … daß sie mich in ihren Willen zwingen konnte, wie
sie wollte … Aber … aber … es war auch etwas Böses in mir … der Mann,
der sich wehrte, irgendeine Erbitterung, denn … ich sagte es ja schon … von
der ersten Sekunde, ja, noch ehe ich sie gesehen, empfand ich diese Frau als
Feind.
Ich schwieg zunächst. Schwieg hartnäckig und erbittert. Ich spürte, daß sie
mich unter dem Schleier ansah gerade und fordernd ansah, daß sie mich
zwingen wollte zu sprechen. Aber ich gab nicht so leicht nach. Ich begann zu
sprechen, aber … ausweichend … ja unbewußt ahmte ich ihre plapprige,
gleichgültige Art nach. Ich tat, als ob ich sie nicht verstünde, denn – ich weiß
nicht, ob Sie das nachfühlen können – ich wollte sie zwingen, deutlich zu
werden, ich wollte nicht anbieten, sondern … gebeten sein … gerade von ihr,
weil sie so herrisch kam … und weil ich wußte, daß ich bei Frauen nichts so
unterliege als dieser hochmütigen kalten Art.
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Amok
Novellen einer Leidenschaft
- Title
- Amok
- Subtitle
- Novellen einer Leidenschaft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Categories
- Weiteres Belletristik