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Amok - Novellen einer Leidenschaft
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Page - 51 - in Amok - Novellen einer Leidenschaft

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Aber schon kamen sie, von unsichtbarer Hand geschoben, träge herangedunkelt, runde, wulstige Säcke, und man sah: sie waren schwer und schwarz von Regen, denn sie polterten murrend wie feste, wuchtige Dinge, wenn sie aneinander stießen, und manchmal fuhr ein leiser Blitz über ihre schwarze Fläche wie ein knisterndes Streichholz. Blau flammten sie dann auf und gefährlich, und immer dichter drängte es sich heran, immer schwärzer wurden sie an ihrer eigenen Fülle. Wie der eiserne Vorhang eines Theaters senkte sich allmählich bleierner Himmel nieder und nieder. Jetzt war schon der ganze Raum schwarz überspannt, zusammengepreßt die warme,verhaltene Lust, und nun setzte noch ein letztes Innehalten der Erwartung ein, stumm und grauenhaft. Erwürgt war alles von dem schwarzen Gewicht, das sich über die Tiefe senkte, die Vögel zirpten nicht mehr, atemlos standen die Bäume, und selbst die kleinen Gräser wagten nicht mehr zu zittern, ein metallener Sarg, umschloß der Himmel die heiße Welt, in der alles erstarrt war vor Erwartung nach dem ersten Blitz. Atemlos stand ich da, die Hände ineinandergeklammt, und spannte mich zusammen in einer wundervollen süßen Angst, die mich reglos machte. Ich hörte hinter mir die Menschen herumeilen, aus dem Walde kamen sie, aus der Tür des Hotels, von allen Seiten flüchteten sie, die Dienstmädchen ließen die Rolläden herunter und schlossen krachend die Fenster. Alles war plötzlich tätig und aufgeregt, rührte sich, bereitete sich, drängte sich. Nur ich stand reglos, fiebernd, stumm, denn in mir war alles zusammengepreßt zu dem Schrei, den ich schon in der Kehle fühlte, den Schrei der Lust bei dem ersten Blitz. Da hörte ich auf einmal knapp hinter mir einen Seufzer, stark aufbrechend aus gequälter Brust und noch mit ihm flehentlich verschmolzen das sehnsüchtige Wort: »Wenn es doch nur schon regnen wollte!« So wild, so elementar war diese Stimme, war dieser Stoß aus einem bedrückten Gefühl, als hätte es die dürstende Erde selbst gesagt mit ihren aufgesprungenen Lippen, die gequälte, erdrosselte Landschaft unter dem Bleidruck des Himmels. Ich wendete mich um. Hinter mir stand ein Mädchen, das offenbar die Worte gesagt, denn ihre Lippen, die blassen und fein geschwungenen, waren noch im Lechzen aufgetan, und ihr Arm, der sich an der Tür hielt, zitterte leise. Nicht zu mir hatte sie gesprochen und zu niemandem. Wie über einen Abgrund bog sie sich in die Landschaft hinein, und ihr Blick starrte spiegellos hinaus in das Dunkel, das über den Tannen hing. Er war schwarz und leer, dieser Blick, starr als eine grundlose Tiefe gegen den tiefen Himmel gewandt. Nur nach oben griff seine Gier, griff tief in die geballten Wolken, in das überhängende Gewitter, und an mich rührte er nicht. So konnte ich ungestört die Fremde betrachten und sah, wie ihre Brust sich hob, wie etwas würgend nach oben schütterte, wie jetzt um die Kehle, die zartknochig aus dem offenen Kleide sich löste, ein Zittern ging, bis endlich auch die Lippen 51
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Amok Novellen einer Leidenschaft
Title
Amok
Subtitle
Novellen einer Leidenschaft
Author
Stefan Zweig
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
158
Categories
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