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keine, es machte mir nur ein gewisses Vergnügen, vor ihnen so zu tun, das
Spiel mit dem Gedanken, mit ihren Gedanken machte mir Freude, die Lust,
sie körperlich zu berühren, das magnetische Zucken im Auge zu fühlen; denn
wie jedem innerlich kühlen Menschen war es mein eigentlichster erotischer
Genuß, in anderen Wärme und Unruhe zu erregen, statt mich selbst zu
erhitzen. Nur den Flaum von Wärme, den die Gegenwart von Frauen um die
Sinnlichkeit legt, liebte ich zu fühlen, nicht eine wirkliche Erhitzung,
Anregung bloß und nicht Erregung. So ging ich auch diesmal durch die
Promenade, nahm Blicke, gab sie leicht wie Federball zurück, genoß ohne zu
greifen, befühlte Frauen ohne zu fühlen, nur leicht angewärmt von der lauen
Wollust des Spiels.
Aber auch das langweilte mich bald. Immer dieselben Menschen kamen
vorüber, ich kannte ihre Gesichter schon auswendig und ihre Gesten. Ein
Sessel stand in der Nähe. Ich setzte mich hin. Ringsum begann in den
Gruppen eine neue wirblige Bewegung, unruhiger schüttelten und stießen sich
die Vorübergehenden durcheinander; offenbar sollte ein neues Rennen wieder
anheben. Ich kümmerte mich nicht darum, saß weich und
irgendwie versunken unter dem Kringel meiner Zigarette, der sich
weißgekräuselt gegen den Himmel hob, wo er heller und heller wie eine
kleine Wolke im Frühlingsblau verging. In dieser Sekunde begann das
Unerhörte, jenes einzige Erlebnis, das noch heute mein Leben bestimmt. Ich
kann ganz genau den Augenblick feststellen, denn zufällig hatte ich gerade
auf die Uhr gesehen: die Zeiger kreuzten sich, und ich sah ihnen mit jener
unbeschäftigten Neugier zu, wie sie sich eine Sekunde lang überdeckten. Es
war drei Minuten nach drei Uhr an jenem Nachmittag des 7. Juni 1913. Ich
blickte also, die Zigarette in der Hand, auf das weiße Zifferblatt, ganz
beschäftigt mit dieser kindischen und lächerlichen Betrachtung, als ich knapp
hinter meinem Rücken eine Frau laut lachen hörte, mit jenem scharfen,
erregten Lachen, wie ich es bei Frauen liebe, jenem Lachen, das ganz warm
und aufgeschreckt aus dem heißen Gebüsch der Sinnlichkeit vorspringt.
Unwillkürlich bog es mir den Kopf zurück, schon wollte ich die Frau
anschauen, deren laute Sinnlichkeit so frech in meine sorglose Träumerei
schlug wie ein funkelnder weißer Stein in einen dumpfen, schlammigen Teich
– da bezwang ich mich. Eine merkwürdige Lust am geistigen Spiel, am
kleinen ungefährlichen psychologischen Experiment, wie sie mich oft befiel,
ließ mich innehalten. Ich wollte die Lachende noch nicht ansehen, es reizte
mich, zuerst in einer Art Vorlust, meine Phantasie mit dieser Frau zu
beschäftigen, mir sie vorzustellen, mir ein Gesicht, einen Mund, eine Kehle,
einen Nacken, eine Brust, eine ganze lebendige atmende Frau um dieses
Lachen zu legen.
Sie stand jetzt offenbar knapp hinter mir. Aus dem Lachen war wieder
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Amok
Novellen einer Leidenschaft
- Title
- Amok
- Subtitle
- Novellen einer Leidenschaft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Categories
- Weiteres Belletristik