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mißtrauten, so wie der Junge vor dem Karussell meinem Geschenk mißtraut
hatte, wie die tausend Namenlosen da draußen im Gewühl meiner Eleganz,
meiner Weltmännischkeit in unbewußter Feindlichkeit ausbogen. Und doch
fühlte ich: fände ich jetzt ein argloses, einfaches, herzliches, ein wahrhaft
menschliches Wort der Anrede zu ihnen, so würde der Vater oder die Mutter
mir antworten, die Töchter geschmeichelt zulächeln, ich könnte mit dem
Jungen hinüber in eine Bude schießen gehen und kindlichen Spaß mit ihm
treiben. In fünf, in zehn Minuten würde ich erlöst sein von mir, eingehüllt in
die arglose Atmosphäre bürgerlichen Gesprächs, gern gewährter und sogar
geschmeichelter Vertraulichkeit – aber dies einfache Wort, diesen ersten
Ansatz im Gespräch, ich fand ihn nicht, eine falsche, törichte, aber
übermächtige Scham würgte mir die Kehle, und ich saß mit gesenktem Blick
wie ein Verbrecher an dem Tisch dieser einfachen Menschen, gehüllt in die
Qual, ihnen mit meiner verbissenen Gegenwart noch die letzte Stunde des
Sonntags verstört zu haben. Und in diesem hingebohrten Hinsitzen büßte ich
all die Jahre gleichgültigen Hochmuts, an denen ich an abertausend solchen
Tischen, an Millionen und Millionen brüderlicher Menschen ohne Blick
vorübergegangen war, einzig beschäftigt mit Gunst oder Erfolg in jenem
engen Kreise der Eleganz, und ich spürte, daß mir der gerade Weg, die
unbefangene Sprache zu ihnen, jetzt, da ich ihrer in der Stunde meines
Ausgestoßenseins bedurfte, von innen vermauert war.
So saß ich, ein freier Mensch bisher, qualvoll in mich geduckt, immer
wieder die roten Karrees am Tischtuch abzählend, bis endlich der Kellner
vorbeikam. Ich rief ihn an, zahlte, stand von dem kaum angetrunkenen
Bierglase auf, grüßte höflich. Man dankte mir freundlich und erstaunt: ich
wußte, ohne mich umzuwenden, daß jetzt, kaum daß ich ihnen den Rücken
zeigte, das Lebendig-Heitere sie wieder überkommen, der warme Kreis des
Gesprächs sich schließen würde, sobald ich, der Fremdkörper, ausgestoßen
war.
Wieder warf ich mich, aber nun noch gieriger, heißer und verzweifelter, in
den Wirbel der Menschen zurück. Das Gedränge war inzwischen lockerer
geworden unter den Bäumen, die schwarz in den Himmel überfluteten, es
drängte und quirlte nicht mehr so dicht und strömend in den Lichtkreis der
Karussells, sondern schwirrte nur schattenhaft mehr am äußersten Rand des
Platzes. Auch der brausende, tiefe, gleichsam lustatmende Ton der Menge
zerstückte sich in viele kleine Geräusche, die immer gleich hingeschmettert
wurden, wenn jetzt die Musik irgendwo gewaltig und rabiat einsetzte, als
wollte sie die Fliehenden noch einmal heranreißen. Eine andere Art Gesichter
tauchte jetzt auf: die Kinder mit ihren Ballons und Papierkoriandolis waren
schon nach Hause gegangen, auch die breithinrollenden sonntäglichen
Familien hatten sich verzogen. Nun sah man schon Betrunkene johlen,
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Amok
Novellen einer Leidenschaft
- Title
- Amok
- Subtitle
- Novellen einer Leidenschaft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Categories
- Weiteres Belletristik