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Amok - Novellen einer Leidenschaft
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Page - 152 - in Amok - Novellen einer Leidenschaft

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»Sie haben … Sie haben … mein Herr … da drinnen eine merkwürdige Szene gesehen … verzeihen Sie … verzeihen Sie, wenn ich noch einmal davon rede … aber sie mußte Ihnen merkwürdig sein … und ich sehr lächerlich … diese Frau … es ist nämlich … « Er stockte wieder. Etwas würgte ihm dick die Kehle. Dann wurde seine Stimme ganz klein, und er flüsterte hastig: »Diese Frau … es ist nämlich meine Frau.« Ich mußte aufgefahren sein im Erstaunen, denn er sprach hastig weiter, als wollte er sich entschuldigen: »Das heißt … es war meine Frau … vor fünf, vor vier Jahren … in Geratzheim drüben in Hessen, wo ich zu Hause bin … Ich will nicht, Herr, daß Sie schlecht von ihr denken … es ist vielleicht meine Schuld, daß sie so ist. Sie war nicht immer so … Ich … ich habe sie gequält … Ich habe sie genommen, obwohl sie sehr arm war, nicht einmal die Leinwand hatte sie, nichts, gar nichts … und ich bin reich … das heißt, vermögend … nicht reich … oder ich war es wenigstens damals … und, wissen Sie, mein Herr … ich war vielleicht – sie hat recht – sparsam … aber früher war ich es, mein Herr, vor dem Unglück, und ich verfluche es … aber mein Vater war so und die Mutter, alle waren so … und ich habe hart gearbeitet um jeden Pfennig … und sie war leicht, sie hatte gern schöne Sachen … und war doch arm, und ich habe es ihr immer wieder vorgehalten … Ich hätte es nicht tun sollen, ich weiß es jetzt, mein Herr, denn sie ist stolz, sehr stolz … Sie dürfen nicht glauben, daß sie so ist, wie sie sich gibt … das ist Lüge, und sie tut sich selber weh … nur … nur um mir wehe zu tun, um mich zu quälen … und … weil … weil sie sich schämt … Vielleicht ist sie auch schlecht geworden, aber ich … ich glaube es nicht … denn, mein Herr, sie war sehr gut, sehr gut … « Er wischte sich die Augen und blieb stehen in seiner übermächtigen Erregung. Unwillkürlich blickte ich ihn an, und er schien mir mit einem Male nicht mehr lächerlich, und selbst diese merkwürdige servile Anrede, »mein Herr«, die in Deutschland nur niedern Ständen zu eigen ist, spürte ich nicht mehr. Sein Antlitz war ganz von der inneren Bemühung zum Wort durchbildet, und der Blick starrte, wie er schwer jetzt wieder vorwärts taumelte, starr auf das Pflaster, als läse er dort im schwankenden Lichte mühsam ab, was sich dem Krampf seiner Kehle so quälend entriß. »Ja, mein Herr«, stieß er jetzt tiefatmend heraus, und mit einer ganz anderen, dunklen Stimme, die irgendwie aus einer weicheren Welt seines Innern kam: »Sie war sehr gut … auch zu mir, sie war sehr dankbar, daß ich sie aus ihrem Elend erlöst hatte … und ich wußte es auch, daß sie dankbar war … aber … ich … wollte es hören … immer wieder … immer wieder … es tat mir gut, diesen Dank zu hören … mein Herr, es war so, so unendlich gut, zu spüren, zu spüren, daß man besser ist … wenn … wenn man doch 152
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Amok Novellen einer Leidenschaft
Title
Amok
Subtitle
Novellen einer Leidenschaft
Author
Stefan Zweig
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
158
Categories
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