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weiß, daß man der Schlechtere ist … ich hätte all mein Geld dafür gegeben,
es immer wieder zu hören … und sie war sehr stolz und wollte es immer
weniger, als sie merkte, daß ich ihn forderte, diesen Dank … Darum … nur
darum, mein Herr, ließ ich sie immer bitten … nie gab ich freiwillig … es tat
mir wohl, daß sie um jedes Kleid, um jedes Band kommen mußte und
betteln … drei Jahre habe ich sie so gequält, immer mehr … aber, mein Herr,
es war nur, weil ich sie liebte … Ich hatte ihren Stolz gern, und doch wollte
ich ihn immer knechten, ich Wahnsinniger, und wenn sie etwas begehrte, so
war ich böse … aber, mein Herr, ich war es gar nicht … ich war selig jeder
Gelegenheit, sie demütigen zu können, denn … denn ich wußte gar nicht, wie
ich sie liebte … «
Wieder stockte er. Ganz torkelnd ging er. Offenbar hatte er mich vergessen.
Mechanisch sprach er, wie aus dem Schlaf, mit immer lauterer Stimme.
»Das … das habe ich erst gewußt, wie ich damals … an jenem verfluchten
Tag … ich hatte ihr Geld verweigert für ihre Mutter, ganz, ganz wenig … das
heißt, ich hatte es schon bereitgelegt, aber ich wollte, daß sie noch einmal
käme … noch einmal mich bitten … ja, was sage ich? … ja, damals habe ich
es gewußt, als ich abends nach Hause kam und sie fort war und nur ein Zettel
auf dem Tisch … ›Behalte dein verfluchtes Geld, ich will nichts mehr von
dir‹ … das stand darauf, sonst nichts … Herr, ich bin drei Tage, drei Nächte
gewesen wie ein Rasender. Den Fluß habe ich absuchen lassen und den Wald,
Hunderte habe ich der Polizei gegeben … zu allen Nachbarn bin ich gelaufen,
aber sie haben nur gelacht und gehöhnt … Nichts, nichts war zu finden …
Endlich hat mir einer Nachricht gesagt vom andern Dor f … er habe sie
gesehen … in der Bahn mit einem Soldaten … sie sei nach Berlin gefahren …
am selben Tage bin ich ihr nachgereist … ich habe meinen Verdienst
gelassen … Tausende habe ich verloren … man hat mich bestohlen, meine
Knechte, mein Verwalter, alle, alle … aber, ich schwöre es Ihnen, mein Herr,
es war mir gleichgültig … Ich bin in Berlin geblieben, eine Woche hat es
gedauert, bis ich sie auffand in diesem Wirbel von Menschen … und bin zu
ihr gegangen … « Er atmete schwer.
»Mein Herr, ich schwöre es Ihnen … kein hartes Wort habe ich ihr
gesagt … ich habe geweint … auf den Knien bin ich gelegen … ich habe ihr
Geld geboten … mein ganzes Vermögen, sie sollte es verwalten, denn damals
wußte ich es schon … ich kann nicht leben ohne sie. Ich liebe jedes Haar an
ihr … ihren Mund … ihren Leib, alles, alles … und ich bin es ja, ich, der sie
hinabgestoßen hat, ich allein … Sie war blaß wie der Tod, als ich hereinkam,
plötzlich … ich hatte ihre Wirtin bestochen, eine Kupplerin, ein schlechtes,
gemeines Weib … wie der Kalk war sie an der Wand … Sie hörte mich an.
Herr, ich glaube, sie war … ja, sie war beinahe froh, mich zu sehen … aber
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Amok
Novellen einer Leidenschaft
- Title
- Amok
- Subtitle
- Novellen einer Leidenschaft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Categories
- Weiteres Belletristik