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als ich vom Gelde sprach … und ich habe es doch nur getan, ich schwöre es
Ihnen, um ihr zu zeigen, daß ich nicht mehr daran denke … da hat sie
ausgespien … und dann … weil ich noch immer nicht gehen wollte … da hat
sie ihren Liebhaber gerufen, und sie haben mich verlacht … Aber, mein Herr,
ich bin immer wiedergekommen, Tag für Tag. Die Hausleute haben mir alles
erzählt, ich wußte, daß der Lump sie verlassen hatte und sie in Not war, und
da ging ich noch einmal hin … noch einmal, Herr, aber sie fuhr mich an und
zerriß einen Schein, den ich heimlich auf den Tisch gelegt hatte, und als ich
doch wiederkam, war sie fort … Was habe ich nicht getan, mein Herr, sie
wieder auszuforschen! Ein Jahr, ich schwöre es Ihnen, habe ich nicht gelebt,
nur immer gespürt, habe Agenturen besoldet, bis ichs endlich erfuhr, daß sie
drüben sei in Argentinien … in … in einem schlechten Hause Er zögerte
einen Augenblick. Wie ein Röcheln war das letzte Wort. Und dunkler wurde
seine Stimme.
»Ich erschrak sehr … zuerst … aber dann besann ich mich, daß ich, nur ich
es sei, der sie da hinabgestoßen hatte … und ich dachte, wie sehr sie leiden
müsse, die Arme … denn stolz ist sie vor allem … Ich ging zu meinem
Anwalt, der schrieb an den Konsul und sandte Geld … ohne daß sie erfuhr,
wer es gab … nur daß sie zurückkäme. Man telegraphierte mir, daß alles
gelungen sei … ich wußte das Schiff … und in Amsterdam wartete ich …
drei Tage zu früh war ich gekommen, so brannte ich vor Ungeduld … Endlich
kam es, ich war selig, wie nur der Rauch vom Dampfer am Horizont war, und
ich glaubte es nicht erwarten zu können, bis er heranfuhr und anlegte, so
langsam, langsam, und dann die Passagiere über den Steg kamen und endlich,
endlich sie … Ich erkannte sie nicht gleich … sie war anders …
geschminkt … und schon so … so, wie Sie es gesehen haben … und wie sie
mich warten sah … wurde sie fahl … Zwei Matrosen mußten sie halten, sonst
wäre sie vom Steg gefallen … Sobald sie am Land war, trat ich an ihre
Seite … ich sagte nichts … meine Kehle war zu … Auch sie sprach nichts …
und sah mich nicht an … Der Träger trug das Gepäck voran, wir gingen und
gingen … Da plötzlich blieb sie stehen und sagte … Herr, wie sie es sagte …
so schmerzend weh tat es mir, so traurig klang es … ›Willst du mich noch
immer zu deiner Frau, jetzt auch noch?‹ … Ich faßte sie bei der Hand … Sie
zitterte, aber sie sagte nichts. Doch ich fühlte, daß nun alles wieder gut war …
Herr, wie selig ich war! Ich tanzte wie ein Kind um sie, als ich sie im Zimmer
hatte, ich fiel ihr zu Füßen … törichte Dinge muß ich gesagt haben … denn
sie lächelte unter Tränen und liebkoste mich … ganz zaghaft natürlich nur …
aber, Herr … wie es mir wohltat … mein Herz zerfloß. Ich lief treppauf,
treppab, bestellte ein Diner im Hotel … unser Vermählungsmahl … ich half
ihr, sich anzuziehen … und wir gingen hinab, wir aßen und tranken und
waren fröhlich … Oh, so heiter war sie, ein Kind, so warm und gut, und sie
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Amok
Novellen einer Leidenschaft
- Title
- Amok
- Subtitle
- Novellen einer Leidenschaft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Categories
- Weiteres Belletristik