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ANNA FREUDS LITERARISCHE TExTE EINFÜHRUNG
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strebungen ein erklärtes Ziel 8 Das Lyzeum in der Form, wie es im Dezem-
ber 1900 gesetzlich geregelt wurde, ist ein Kompromiss Die Lyzeal-Matura
berechtigt zu einem Studium an der Philosophischen Fakultät, allerdings
nur als außerordentliche Hörerin, ab dem 18 Lebensjahr und ermöglicht
Wege zur Ausbildung als Pflichtschul- oder Lyzeal-Lehrerin,9 gewährt je-
doch nicht die Gleichstellung mit der gymnasialen Knabenbildung Es
stimmt zwar, dass Freud zumindest seinen beiden jüngeren Töchtern wie
seine Kollegen und Tarockfreunde Oscar Rie und Ludwig Rosenberg eine
gymnasiale Bildung hätte zukommen lassen können; dass die Freuds, wie
Annas Biografin Elisabeth Young-Bruehl schreibt, »was die Erziehung ihrer
Töchter anbelangte, konservativer als die meisten ihrer Freunde«10 waren,
trifft aber keinesfalls zu. Nur die Vorreiterrolle im Vorfeld des Kampfs um
eine vollwertige Matura und damit den Zutritt zum Universitätsstudium
spielten sie nicht. In der Zeit, als Entscheidungen über Annas Schullauf-
bahn getroffen werden mussten, war die Bildungslandschaft im Umbruch
und das Lyzeum, wie geschildert, die modernste vom Staat protegierte
Form höherer Mädchenbildung Hospitantinnen waren ab 1872 an Kna-
bengymnasien zugelassen,11 1892 wurde das erste Mädchengymnasium in
Wien gegründet, bis 1906 mussten die Prüfungen jedoch an einem Kna-
bengymnasium abgelegt werden 12 1903 gab es in der Residenzstadt der
Monarchie noch immer nur ein Mädchengymnasium mit Öffentlichkeits-
recht 13 Erst mit dem ›Normalstatut‹ für Mädchenlyzeen 1912 – das Jahr, in
dem Anna Freud bereits ihre Reifeprüfung im Lyzeum ablegte – begann
sich mit der nun vom Staat eingeräumten Möglichkeit zu deren Führung
als achtklassige Realgymnasien eine Variante zu etablieren, durch die Mäd-
chen umweglos zur vollgültigen gymnasialen Matura kommen konnten.14
Nachdem Salome Goldmanns Schule in den ersten paar Jahren in ei-
ner Privatwohnung untergebracht gewesen war, konnte sie im Schuljahr
1905/06 in ein neues Gebäude umziehen und erhielt das Öffentlichkeits-
8 Rose, Jewish Women, S 89
9 Simon, Hintertreppen, S 187 f
10 Young-Bruehl, Anna Freud, I, S 72
11 Heindl, Tichy, Durch Erkenntnis zu Freiheit und Glück, S. 24.
12 Simon, Hintertreppen, S 292
13 Heindl, Tichy, Durch Erkenntnis zu Freiheit und Glück, S. 24.
14 Simon, Hintertreppen, S 215 u S 211
Anna Freud
Gedichte – Prosa – Übersetzungen
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anna Freud
- Subtitle
- Gedichte – Prosa – Übersetzungen
- Editor
- Brigitte Spreitzer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Size
- 13.5 x 21.0 cm
- Pages
- 144
- Keywords
- Anna Freud, Psychoanalyse, Literatur, Frauengeschichte, Geschichte des Judentums, Wiener Moderne
- Categories
- Weiteres Belletristik