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ANNA FREUDS LITERARISCHE TExTE EINFÜHRUNG
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machen beabsichtigt: Von unserer Seite kommt unser Wunsch in Betracht,
daß Du Dich nicht in so jungen Jahren binden oder verheiraten sollst, ehe
Du etwas mehr gesehen, gelernt, erlebt und an Menschen erfahren hast.
Jones habe nicht die feinen Rücksichten erlern[t], die ein verwöhntes, noch
dazu sehr junges und etwas sprödes Mädchen von einem Mann erwarten
würde. Um ihn zu schätzen und ihm allerlei zu vergeben, müsste sie gut
fünf Jahre älter, also 24 sein 33 Abgesehen davon, dass keine der Töchter
diese väterlichen Wünsche erfüllte – Mathilde heiratete mit etwas über
21,34 Sophie gar mit 2035 und Anna überhaupt nicht –, schien seine jüngs-
te Tochter ohnedies nicht aufs Warten eingestellt zu sein Zum Heiraten
bin ich nicht geeignet, wird sie 1924 an Lou Andreas-Salomé anlässlich
der Werbung Hans Lampls in merkwürdigen Metaphern schreiben: Für
Lampl wohl überhaupt nicht, aber auch sonst augenblicklich nicht besser
als ein Tisch oder ein Sopha oder mein eigener Schaukelstuhl.36 1912, nach
der Reifeprüfung, gehen ihre Absichten in eine andere Richtung: Sie will
Lehrerin werden Das Reichsvolksschulgesetz von 1869 hatte mit der
Zulassung weiblicher Laien zum Volksschullehramt die Berufschancen
für Frauen beträchtlich verbessert. In Folge wurden in den Ländern der
österreichischen Monarchie nach und nach eigene Lehrerinnenbildungs-
anstalten gegründet.37 Der Andrang ist so groß, dass im Jahrbuch des
Bundes österreichischer Frauenvereine von 1914 auf die schlechten An-
stellungschancen verwiesen und auf eine Reduktion der Bewerberinnen
hingearbeitet wird: Da großer Andrang von Bewerberinnen ist wenig Aus-
sicht auf Anstellung. (…) Nur vollständig gesunde und gut begabte Mäd-
chen sollten sich dem anstrengenden Berufe widmen. Besonders erforder-
lich gutes Auge (Kurzsichtigkeit verschlimmert sich während des Studiums
und wirkt störend im Beruf), widerstandsfähige Nerven, leichte Auffassung,
gutes Gedächtnis, viel Geduld und Liebe zu Kindern.38
33 SF-AF, S 125, Brief v 16 Juli 1914
34 Gödde, Mathilde Freud, S 275
35 SF-BadK, S 453
36 LAS-AF, I, S 266, Brief v 3 Jänner 1924
37 Albisetti, Mädchenerziehung, S 18 u Simon, Hintertreppen, S 188 f
38 Jahrbuch des Bundes österreichischer Frauenvereine 2 (1914), S 104 Online im
Internet: http://www literature at/viewer alo?objid=12037&viewmode=fullscre
en&scale=3 33&rotate=&page=110
Anna Freud
Gedichte – Prosa – Übersetzungen
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anna Freud
- Subtitle
- Gedichte – Prosa – Übersetzungen
- Editor
- Brigitte Spreitzer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Size
- 13.5 x 21.0 cm
- Pages
- 144
- Keywords
- Anna Freud, Psychoanalyse, Literatur, Frauengeschichte, Geschichte des Judentums, Wiener Moderne
- Categories
- Weiteres Belletristik